Verfahren gegen Patente auf menschliche embryonale Stammzellen und Eingriffe in menschliche Keimbahn

Klage vor Bundespatentgericht und Einspruch am Europäischen Patentamt
Donnerstag, 20. February 2020

Testbiotech hat zwei Verfahren gegen erteilte Patente gestartet, um ethische Grundsatzfragen des Patentrechtes insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Menschenwürde zu klären. Beim Bundespatentgericht wurde Nichtigkeitsklage gegen ein deutsches Patent (DE102004062184) eingereicht, das die Verwendung menschlicher Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen beansprucht. Zudem hat Testbiotech einen Einspruch gegen ein europäisches Patent auf die ‚Gen-Schere‘ CRISPR/Cas eingereicht, das u.a. die bekannten Forscherinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier als Erfinderinnen nennt (EP3401400). In diesem Patent sind weder Eingriffe in die menschliche Keimbahn noch die kommerzielle Verwendung von Embryonen so eindeutig ausgenommen, wie dies vom Gesetz verlangt wird. Zudem wird auch die Anwendung der neuen Gentechnik-Methode an Pflanzen und Tieren beansprucht.

Patente auf eine wirtschaftliche Verwertung menschlicher Embryonen und Eingriffe in die menschliche Keimbahn sind in Europa verboten. Diese Verbote wurden nach der vorliegenden rechtlichen Analyse bei den genannten Patenten nicht ausreichend berücksichtigt. Nach Ansicht von Testbiotech verstoßen die Patente damit nicht nur gegen die Bestimmungen des Patentrechts, sondern schaffen auch wirtschaftliche Anreize, die ethisch nicht vertretbar sind. Gerade im Hinblick auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der neuen Gentechnikverfahren ist die Einhaltung ethischer Grenzen besonders wichtig.

„Der Schutz der Menschenwürde ist gerade in Zeiten der neuen Gentechnik und der ‚Gen-Schere‘ CRISPR/Cas von zentraler Bedeutung. Wie nicht nur Versuche mit menschlichem Leben in China zeigen, droht hier ein Dammbruch. Unter diesen Bedingungen müssen die Patentämter strikt darauf achten, dass keine falschen Anreize und Signale gesetzt werden“, sagt Christoph Then für Testbiotech.

Nach Analyse der Patentanwälte von Testbiotech umfasst das europäische Patent EP3401400 sehr breit gefasste Ansprüche, die auch Eingriffe in die Keimbahn des Menschen sowie die Verwendung menschlicher Embryonen in Form embryonaler Stammzellen betreffen. Zwar wird in der Beschreibung des Patentes in einem kurzen Absatz versucht, menschliche Keimzellen und embryonale Stammzellen von der Erfindung auszunehmen, doch dieses Statement steht im Widerspruch zur technischen Beschreibung und der Formulierung der Ansprüche. Testbiotech fordert den Widerruf beziehungsweise eine erhebliche Einschränkung der Ansprüche.

Das Patent DE102004062184 wurde vom Deutschen Patentamt erteilt, die parallele Anmeldung beim Europäischen Patentamt (EPA) aber zurückgewiesen. Patentinhaber ist ein Reproduktionsmediziner in München. Das Patent betrifft die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus Embryonen, die in der Forschung sehr begehrt sind. Dies umfasst auch die Nutzung menschlicher Embryonen, wie sie bei Verfahren zur künstlichen Befruchtung (IVF) entstehen. Die Durchführung des patentierten Verfahrens mit menschlichen Embryonen wäre nach dem Embryonenschutzgesetz strafbar, was zeigt, wie wichtig dem Gesetzgeber diese ethische Grenzziehung ist. Testbiotech fordert deswegen die Nichtigerklärung des Patentes, soweit menschliche Embryonen betroffen sind.

Ruth Tippe von der Initiative „Kein Patent auf Leben!“, die regelmäßig Recherchen am EPA durchführt und mit Testbiotech zusammenarbeitet, weist daraufhin, dass die erwähnten Patente keine Einzelfälle sind. Demnach wurden 2019 vom EPA weitere Patente für Anwendungen der neuen Gentechnik erteilt, die in ihrem Umfang dem jetzt angegriffenen europäischen Patent sehr ähnlich sind. Nach ihren Recherchen nehmen die Patentanträge auf embryonale Stammzellen und auch auf gentechnisch veränderte Pflanzen zu. Die Zahl der Patentanträge auf gentechnisch veränderte Tiere war in früheren Jahren zwar zurückgegangen, bleibt jetzt aber auf relativ hohem Niveau stabil.

Testbiotech hat in den letzten Jahren bereits verschiedene Patentverfahren am Europäischen Patentamt gewonnen. Noch ausstehend sind Entscheidungen über Patente auf gentechnisch veränderte Tiere, von denen einige sogar Schimpansen betreffen. Dazu soll am 10. Juli diesen Jahres eine Verhandlung am EPA stattfinden. Testbiotech hält Korrekturen der gegenwärtigen Praxis der Erteilung von Patenten auf Pflanzen und Tiere für dringend notwendig. Auch das jetzt angegriffene europäische Patent (EP3401400) beansprucht die Anwendung der Genschere CRISPR/Cas an Pflanzen und Tieren.

Kontakt: 

Christoph Then, Tel 0151 54638040, info@testbiotech.org
Ruth Tippe, Tel 0173 1543409, rtippe@keinPatent.de
Weber & Seidel, Rechts- und Patentanwälte, Tel 06221 586070, www.rpws.de

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