Erwartungen
Ursprünglich ging man davon aus, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen in der Umwelt eher selten ausbreiten würden und in der Regel nicht in der Umwelt überdauern könnten. Der Einbau zusätzlicher Gene, so die Theorie, sei für die Pflanzen eher ein Nachteil, der dazu führen würde, dass diese im Wettbewerb mit anderen Pflanzen rasch wieder verdrängt würden. Ein Eintrag in die Zentren der biologischen Vielfalt der Arten galt als unwahrscheinlich, solange in der jeweiligen Region kein Anbau stattfindet.
Realität
In Mexiko breitet sich gentechnisch veränderte Baumwolle seit einigen Jahren unkontrolliert in Populationen wilder Baumwolle aus. Dabei wurden Transgene von herbizidresistenter und insektengiftiger Gentechnik-Baumwolle in natürliche Baumwollpopulationen (Gossypium hirsutum) übertragen, obwohl die Gentechnik-Pflanzen dort offiziell gar nicht angebaut wurden.
Baumwollpflanzen produzieren eine Art Nektar, dessen Produktion sich durch den Befall von Fraßinsekten erhöht. Dieser lockt räuberische Ameisenarten an, die wiederum die Fraßinsekten fressen und so die Pflanze schützen. Es wurde beobachtet, dass sich sowohl die Produktion von Pflanzennektar als auch die Anzahl und Zusammensetzung der assoziierten Ameisenpopulationen bei den Nachkommen der transgenen Baumwollpflanzen im Vergleich zu den wilden Baumwollpflanzen unterscheiden können.
Ameisen sind nicht nur für die Kontrolle der Schädlinge, sondern auch für die Verbreitung der Baumwollsamen wichtig. Daher können diese gestörten Interaktionen zwischen den transgenen Pflanzen und ihrer Umwelt erhebliche Langzeitfolgen haben. Eine höhere Nektarproduktion, die mehr Ameisen anlockt, könnte so dazu führen, dass die Nachkommen der Gentechnik-Baumwolle invasive Eigenschaften erlangen.
Tatsächlich breiten sich die transgenen Baumwollpflanzen in den wilden Populationen schneller aus, als ursprünglich erwartet. Dabei können auch die Gentechnik-Eigenschaften (Insektengiftigkeit und Herbizidresistenz) bzw. deren Kombination und damit einhergehende Nebenwirkungen eine wichtige Rolle spielen. In den sich ausbreitenden Populationen wurden auch neue Kombinationen der Transgene beobachtet, die im Labor nie getestet wurden.
Diese nachfolgenden (hybriden) Generationen können andere Eigenschaften aufweisen als die ursprünglich zum Anbau zugelassenen Pflanzen (wie bspw. eine höhere Invasivität) und sich ggf. noch schneller ausbreiten. Es besteht die Gefahr, dass die natürlichen Baumwollpopulationen durch die Ausbreitung der transgenen Pflanzen verdrängt werden.
Konsequenzen
Dieses Fallbeispiel zeigt, wie unbeabsichtigte genetische und stoffwechselspezifische Interaktionen, die durch die gentechnische Veränderung bedingt sind, die Ausbreitung transgener Pflanzen fördern können. In diesem Fall ist der Schaden erheblich, weil dadurch eines der Zentren der biologischen Vielfalt von wilder Baumwolle bedroht ist.
Vor diesem Hintergrund müssen Kriterien eingeführt werden, die zu einem Abbruch der Zulassungsprüfung führen, wenn eine unkontrollierte Ausbreitung in der Umwelt nicht sicher auszuschließen ist. Es sollte internationaler Konsens sein, dass keine Gentechnik-Organismen freigesetzt werden, deren Ausbreitung nicht kontrolliert werden kann.
Weitere Informationen:
TA Bericht
Umweltrisiken Neue Gentechnik
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