Erwartungen
Mithilfe der Neuen Gentechnik (NGT) sollen Pflanzen erzeugt werden, die besser an den Klimawandel angepasst sind, mehr Ertrag liefern und Düngemittel oder Pestizide einsparen. Nach Aussagen der AnwenderInnen würden herkömmliche Züchtungsverfahren Pflanzen mit solchen Eigenschaften nur sehr begrenzt bzw. nur mit erheblichem Aufwand hervorbringen können. Zudem wird immer wieder betont, dass der Einsatz der NGTs zu einer erheblichen Beschleunigung der Pflanzenzucht führen würde. Aufgrund dieser Argumentation wird davon ausgegangen, dass die Neue Gentechnik in Zukunft ein entscheidendes Instrument für eine produktivere und nachhaltigere Landwirtschaft darstellen wird.
Realität
Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen der internationalen Patentanmeldungen von Pflanzen, bei denen NGTs eingesetzt wurden und die für eine nachhaltige Landwirtschaft und/oder den Klimaschutz von Bedeutung sind, zeigt sich, dass eine Vielzahl dieser Patente eigentlich konventionelle Züchtungsmethoden (einschließlich Zufallsmutagenese) beschreibt. Bei einem Großteil dieser Pflanzen wurden ohne den Einsatz von NGTs Eigenschaften erzielt, die zu einer erhöhten Toleranz gegenüber Umwelteinflüssen führen. Hierbei handelt es sich u.a. um Resistenzen gegen Infektionen mit Bakterien, Viren oder Pilzen wie beispielsweise falscher Mehltau, Jordanvirus oder Kraut- und Knollenfäule. Darüber hinaus gibt es ohne den Einsatz von NGTs verschiedene Ansätze, um neben der Ertragssteigerung auch klimarelevante Eigenschaften wie die Toleranz gegenüber Trockenheit zu erhöhen. Das Spektrum der Pflanzenarten reicht dabei von wichtigen Ackerpflanzen wie Mais, Reis, Weizen oder Raps über verschiedene Gemüse bis hin zu Obst. Diese Beispiele zeigen, dass viele der für NGTs beanspruchten Vorteile mit konventionellen Methoden erreicht werden können.
Darüber hinaus liegen einige dieser Eigenschaften auf sogenannten ‚Quantitative Trait Loci‘ (QTLs), also mehreren verschiedenen Erbinformationen innerhalb eines bestimmten Chromosomenabschnitts, die an der Ausprägung von bestimmten Eigenschaften wie z.B. Ertrag oder Stressresistenz beteiligt sind. Die exakten genetischen Grundlagen dieser Eigenschaften sind auf DNA-Ebene oft nicht genau definiert und können erheblich durch den genetischen Hintergrund der jeweiligen Sorte beeinflusst werden. Für die konventionelle Züchtung wird eine große genetische Vielfalt benötigt, die in den verfügbaren Sorten bereits vorhanden ist und ggf. durch Zufallsmutagenese erhöht werden kann. Im Gegensatz dazu können Züchtungsmerkmale mit der Neuen Gentechnik nur dann erzeugt werden, wenn die entsprechenden DNA-Bereiche genau bekannt sind. In vielen Fällen ist es daher viel einfacher, komplexe Eigenschaften, die auf QTLs basieren, mit konventioneller Züchtung zu erreichen.
Resümee
Mit konventionellen Züchtungsmethoden (einschließlich der Zufallsmutagenese) können viele Eigenschaften hervorgerufen werden, die sich positiv auf eine nachhaltige Landwirtschaft und die Abschwächung des Klimawandels auswirken. Diese Methoden werden kontinuierlich weiterentwickelt und es gibt inzwischen eine ganze Reihe interessanter Ansätze mit vielversprechenden Ergebnissen (z.B. SMART-Breeding bzw. Markergestützte Selektion (MAS), Speed-Breeding oder Populationszüchtung). Zudem ist allgemein anerkannt, dass künftige Herausforderungen wie beispielsweise der Klimawandel am ehesten durch eine höhere Vielfalt auf dem Acker aufgefangen werden kann. Sollte die Neue Gentechnik von Forschung und Politik im Vergleich zur konventionellen Zucht zukünftig mit Vorrang behandelt werden, wie es beispielsweise von der EU-Kommission zur Erreichung der Ziele innerhalb des Europäischen „Green Deal“ und der „Farm-to-Fork“-Strategie vorgeschlagen wird, könnten dadurch dringend benötigte Lösungen, die tatsächlich echte Vorteile hervorbringen, verlangsamt oder sogar verhindert werden. Unter diesen Umständen sollten – insbesondere wenn es um die Frage der Nachhaltigkeit geht – im Zweifelsfall die traditionellen Methoden der Züchtung mit Vorrang behandelt werden, da bei Pflanzen (und Tieren) die aus konventioneller Züchtung stammen, in der Regel weniger Unsicherheiten hinsichtlich der Gefahren und Risiken zu erwarten sind als bei solchen aus (Neuer) Gentechnik. Im Rahmen der Technikfolgenabschätzung von NGT-Pflanzen sollten daher immer auch alternative Ansätze aus der klassischen Züchtung berücksichtigt und bevorzugt eingesetzt werden. Wichtig ist es dabei auch, darauf zu achten, dass konventionell gezüchtete Pflanzen nicht patentiert werden, um den Zugang zur biologischen Vielfalt für kleine und mittelständische ZüchterInnen offen zu halten.
Weitere Informationen:
TA Bericht
Patentbericht No Patents on Seeds
FAO Bericht nachhaltige Landwirtschaft