Extreme Eigenschaften können Anfälligkeit gegenüber Umweltstress erhöhen

Erwartungen
Bei der Züchtung neuer Pflanzensorten mittels herkömmlicher Verfahren gibt es gewisse Beschränkungen, die auf bestimmte Schutzmechanismen im Erbgut zur Erhaltung artspezifischer Eigenschaften zurückzuführen sind. Dadurch lassen sich einige genetische Veränderungen mit den klassischen Züchtungsverfahren (inkl. der Zufallsmutagenese) nicht oder nur sehr schwer realisieren. Mithilfe der Neuen Gentechnikverfahren (NGTs) können diese Beschränkungen in der Pflanzenzüchtung überwunden werden, so dass die Entwicklung völlig neuer Eigenschaften möglich ist. Die Veränderung des Erbguts soll außerdem viel genauer und schneller erfolgen, wodurch sich der Zeitraum für die Entwicklung neuer Sorten wesentlich verkürze. Infolge der höheren Effizienz und Präzision soll die Anwendung der Neuen Gentechnik in der Pflanzenzüchtung zudem mit weniger Nebenwirkungen verbunden sein.

Realität
Die mithilfe von NGTs erzeugten Veränderungen führen in vielen Fällen zu extremen oder artuntypischen Ausprägungen von Züchtungsmerkmalen, die oft mit ungewollten Nebenwirkungen (‚trade-offs‘) einhergehen. Dies zeigt sich u.a. bei den wenigen NGT- Pflanzen, die bisher auf dem Markt verfügbar sind: Beispielsweise erbrachten NGT- Sojabohnen mit veränderter Ölsäurezusammensetzung, die 2019 von der Firma Calyxt in den USA kommerzialisiert wurden, nicht die gewünschten Ernteerträge. In der Folge konnten sich diese NGT-Sojabohnen auf dem Markt nicht durchsetzen. Als Reaktion darauf hat die Firma Calyxt ihr Geschäftsfeld inzwischen neu ausgerichtet. Bei NGT-Weizen wurden mehrere Genkopien ausgeschaltet, die für die Mehltau- Anfälligkeit verantwortlich sind. Die Neuen Gentechniken sind beim Ausschalten von Genen effizienter als konventionelle Verfahren und erreichen deswegen eine deutlichere Ausprägung der gewollten Eigenschaften. Dabei werden aber auch ungewollte Effekte hervorgerufen: Neben der erzielten Mehltau-Resistenz wurden auch unbeabsichtigte Effekte wie z.B. Blattchlorosen (Ausbleichungen) ausgelöst, die so bei herkömmlichen Verfahren nicht auftraten.

Bei einem anderen NGT-Weizen wurden mehrere Kopien eines Gens ausgeschaltet, das für die Bildung der Aminosäure Asparagin und schließlich auch für die Bildung von krebserregendem Acrylamid beim Backen ausschlaggebend ist. Asparagin ist aber auch für die Keimfähigkeit, das Wachstum der Pflanzen, ihre Stresstoleranz und die Abwehr von Pflanzenkrankheiten wichtig. In der Folge waren die Samen von einigen Varianten dieses NGT-Weizens fast nicht mehr keimfähig. Erste Ergebnisse im Freilandversuch zeigen außerdem Veränderungen bzgl. des Gewichts und der Anzahl der Körner.

Konsequenzen
Diese Beispiele zeigen, dass mithilfe der Neuen Gentechnik extreme Eigenschaften erzeugt werden können, die über das hinausgehen, was mit konventioneller Zucht erreicht werden kann. Unbeabsichtigte Neben- und Wechselwirkungen können dabei auch dann eintreten, wenn der Eingriff ins Erbgut gezielt und präzise ist. Durch diese oft ‚zwangsläufig‘ auftretenden Nebenwirkungen kann der Zuchtfortschritt erheblich verlangsamt werden. Um die Pflanzen wieder ‚ins Gleichgewicht‘ zu bringen, muss im Vergleich zur konventionellen Züchtung ggf. mehr Zeit in die Entwicklung eines Merkmals investiert werden. Demzufolge könnten sich viele Zuchtziele als nicht realisierbar erweisen.

Die NGT-Verfahren bieten zwar ein großes Potential für genetische Veränderungen, aber es ist nicht einfach, dieses Potential in tatsächliche Vorteile umzusetzen. In der Folge lässt sich die notwendige Zeitspanne zwischen einer gentechnischen Veränderung bis zum Inverkehrbringen des Endprodukts nicht vorhersagen.

Weitere Informationen:
TA Bericht
Video zu Nachhaltigkeit

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