Erwartungen
Weltweit steht die Landwirtschaft vor großen Problemen und Herausforderungen. Pflanzen aus Neuer Gentechnik werden damit beworben, dass sie helfen können, diese Probleme zu lösen. Sie sollen zu einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion beitragen können. Im Zusammenhang mit der Neuen Gentechnik werden potenzielle Vorteile wie die schnellere Anpassung an den Klimawandel, die Sicherung der Welternährung oder die Reduktion von Düngemitteln und Pestiziden am häufigsten genannt.
Realität
In Ländern mit abgeschwächten Gentechnikgesetzen sind einige wenige NGT-Produkte bereits auf dem Markt erhältlich. Drei Beispiele:
(1) In Japan werden NGT-Tomaten vermarktet, bei denen der Gehalt des Neurotransmitters GABA (γ-Aminobuttersäure) um ein vielfaches erhöht wurde. GABA wirkt bei Menschen als hemmendes Signalmolekül im zentralen Nervensystem, wodurch es unter anderem den Blutdruck senken kann. Dementsprechend werden die NGT-Tomaten auch explizit als modernes ‚Lifestyle-Produkt‘ mit beruhigender Wirkung vermarktet. Da die Inhaltsstoffe der NGT-Tomaten u.a. wegen Umwelteinflüssen stark schwanken können, ist ein vorhersagbarer positiver Effekt kaum zu erwarten. Belastbare Daten über die Auswirkungen des Anbaus und Verzehrs dieser Tomaten scheinen nicht verfügbar zu sein. https://www.testbiotech.org/aktuelles/crispr-tomate-in-japan-zugelassen
(2) Ebenfalls in Japan werden NGT-Kugelfische mit Diabetes-ähnlichen Symptomen verkauft. Durch das Abschalten von Genen, die unter anderem für die Regulierung des Appetits verantwortlich sind, nehmen die Fische schneller zu und werden deutlich schwerer. Schäden in diesen Genen können jedoch auch die embryonale Entwicklung, die Nierenfunktion, den Blutzuckerspiegel und das Verhalten beeinträchtigen. Bisher wurden Fische mit diesem künstlichen Gendefekt als Krankheitsmodelle für die Erforschung von komplexen Stoffwechselstörungen eingesetzt. Durch die Verwendung derartig veränderter Fische in der Lebensmittelproduktion geht der ‚Fortschritt‘ hier auf Kosten der Tiergesundheit. https://www.testbiotech.org/aktuelles/falscher-fortschritt-kranke-crispr-kugelfische
(3) In den USA wurde die Marktzulassung für Braunen Senf erteilt, der mit der Gen-Schere so verändert wurde, dass die Blätter weniger scharf schmecken. Der auch als Asia-Salat bekannte Schnittsalat bildet natürlicherweise scharfe Bitterstoffe, die einerseits als Abwehrstoffe gegen Schädlinge dienen und gleichzeitig beim Verzehr mit positiven gesundheitlichen Effekten einhergehen. Durch die Veränderung von insgesamt 17 Genen wurde ein Enzym im Stoffwechsel dieser scharfen Bitterstoffe ausgeschaltet, wodurch die Blätter zwar weniger scharf schmecken, gleichzeitig aber auch weniger der als gesundheitlich besonders wertvoll geltenden Stoffe gebildet werden. Die leichte Schärfe und die positive Wirkung auf die Gesundheit sind eigentlich die beiden Haupteigenschaften, die diesen Schnittsalat bisher so beliebt machen. Außerdem sind zahlreiche konventionell gezüchtete Asia-Salatsorten mit milderem Geschmack seit langem auf dem Markt. Belastbare Daten über die Auswirkungen des Anbaus und Verzehrs dieser Senfpflanzen aus Neuer Gentechnik scheinen nicht verfügbar zu sein. https://www.testbiotech.org/aktuelles/crispr-senfpflanzen-fuer-den-us-markt
Folgen
Offensichtlich stellen die ersten kommerziell verfügbaren NGT-Produkte keineswegs nachhaltige Lösungsansätze für die drängenden Probleme und Herausforderungen in der Landwirtschaft dar. Vielmehr handelt es sich bei diesen ‚Innovationen‘ um Produkte, deren tatsächlicher Bedarf zumindest fraglich ist bzw. deren Entwicklung mit keinem wirklichen Fortschritt einherzugehen scheint.
Da bei allen drei Beispielen keine artfremden Gene eingefügt wurden, gelten sie in einigen Ländern nicht als gentechnisch veränderte Organismen. In der Folge werden sie bei der Zulassung wie konventionelle Züchtungen behandelt, obwohl sie sich in ihrem genetischen und äußeren Erscheinungsbild von den Pflanzen und Tieren unterscheiden, die aus konventioneller Zucht zu erwarten sind. Dementsprechend wurde auch keiner dieser NGT-Organismen einer eingehenden Risikoprüfung unterzogen.
Sollte die EU-Kommission die Neue Gentechnik tatsächlich deregulieren, würde auch in der EU der Weg für einen derartigen ‚falschen Fortschritt‘ geebnet werden – mit potentiell erheblichen Folgen für Mensch, Tier und die Umwelt. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, neben einer Risikoprüfung auch eine Technikfolgenabschätzung durchzuführen. In diesem Rahmen sollten tatsächliche Vor- und Nachteile von NGT-Produkten überprüft werden, um echte Lösungspotentiale von leeren Versprechungen unterscheiden zu können. Nur so kann vermieden werden, dass die Gentechnikindustrie sämtliche ‚Innovationen‘ auf den Markt bringt, die technisch machbar sind und Profite versprechen, aber keinen Fortschritt darstellen und mit unnötigen Risiken für Mensch, Tier, Natur und Umwelt einhergehen.
Weitere Informationen:
TA Bericht