Erwartungen
Aufgrund geringerer Kosten und der einfachen Anwendung sollen die neuen Gentechnikverfahren v.a. von kleinen und mittleren Unternehmen sowie von öffentlichen Forschungseinrichtungen für die Entwicklung neuer Produkte genutzt werden können. Dadurch soll deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber großen Konzernen erhöht werden, so ein häufig vorgebrachtes Argument in der Diskussion um die Regulierung der Neuen Gentechnik (NGT) in der EU.
Realität
Die Verfahren der NGTs können ebenso patentiert werden, wie die damit veränderten Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Dabei spielen neben den ‚ErfinderInnen‘ der CRISPR/Cas-Technologie (wie die University of California und das Broad Institute) auch die großen Agrarkonzerne eine dominante Rolle. Das Feld der Patentanträge und Patenterteilungen auf NGT-Pflanzen wird bisher v.a. durch Corteva (der ehemaligen Agrarsparte von DowDuPont) dominiert. Der US-Konzern hat bereits rund 100 Patente angemeldet, die auch in Europa rechtswirksam werden sollen. In Europa wurden bis Ende 2022 bereits rund 30 einschlägige Patente für Corteva erteilt – mehr als für jede andere Firma in der Branche. Zusätzlich zu ihren eigenen Patentanträgen hat sich Corteva auch den Zugang zu Dutzenden von Grundlagenpatenten auf die CRISPR/Cas-Technologie gesichert. Aber auch andere große Konzerne wie Bayer, BASF und Syngenta (Sinochem) melden immer mehr Patente auf die Anwendungen der Neuen Gentechnik an.
Kleine und mittelständische europäische Zuchtunternehmen müssen ggf. Verträge mit diesen Konzernen unterschreiben, um Zugang zu den neuen Technologien zu erhalten, und geraten so in neue Abhängigkeiten. Sie sind dazu verpflichtet, Lizenzen zu zahlen, entsprechende Leitlinien einzuhalten, Verschwiegenheitserklärungen nachzukommen und ggf. ihre Züchtungsziele offenzulegen. Die großen Konzerne erhalten so eine weitreichende Kontrolle über WettbewerberInnen und bauen dadurch ihre marktbeherrschende Stellung weiter aus.
Konsequenzen
Die Biotech-Industrie betreibt in der EU eine Kampagne, um eine verpflichtende Risikoprüfung und Kennzeichnung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik abzuschaffen. Gleichzeitig melden sie immer mehr Patente auf Pflanzen aus Neuer Gentechnik an und versuchen ihre Patentansprüche auch auf die konventionelle Zucht auszuweiten. Das Argument, dass mit einer beschleunigten Zulassung von NGT-Pflanzen auch die mittelständische Pflanzenzucht generell gestärkt würde, trifft nicht zu. Vielmehr sind disruptive Prozesse zu erwarten, die zu einer weiteren Konzentration der Marktmacht großer Konzerne führen. Pflanzenzucht und Landwirtschaft könnten ebenso zu den Verlierern einer Deregulierung der NGTs und der Überpatentierung von Saatgut gehören wie LebensmittelerzeugerInnen und VerbraucherInnen. Es gilt: Wer NGT-Pflanzen anbaut, wird Patente ernten.
Weitere Informationen:
TA Bericht
Patentbericht Neue Gentechnik
Patentbericht No Patents on Seeds
Video zu sozioökonomischen Auswirkungen