Gentechnik-Soja vor EU-Gericht

Testbiotech hat zusammen mit dem Europäischen Netzwerk kritischer WissenschaftlerInnen (European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility, ENSSER) und dem Verein Sambucus beim EU-Gerichtshof gegen die Zulassung gentechnisch veränderter Soja der Firma Monsanto (T-177/13) geklagt. Die Manfred-Hermsen-Stiftung, die Zukunftsstiftung Landwirtschaft, die Gesellschaft für ökologische Forschung und die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (AbL) unterstützen die Klage. Die Soja, die unter dem Kürzel MON87701 x MON89788 in der EU zum Import und zur Verwendung in Lebens- und Futtermitteln zugelassen ist, wird unter dem Markennamen „Intacta“ vor allem in Brasilien angebaut. In dieser Soja kommt es zur Kombination neuer Eigenschaften: Die Pflanzen produzieren ein Insektengift, ein sogenanntes Bt-Toxin, und sind gleichzeitig unempfindlich gegenüber dem Unkrautvernichtungs­mittel Glyphosat (u.a. enthalten in „Roundup“). Nach Ansicht der Kläger wurde diese Soja von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA nicht ausreichend auf Risiken für VerbraucherInnen untersucht. Die EU-Kommission hätte die Soja deswegen nicht zum Import zulassen dürfen.

Die Klage richtet sich insbesondere gegen
(1) die Bewertung der gentechnisch veränderten Soja als gleichwertig mit konventionell gezüchteten Sorten,
(2) die fehlende Untersuchung von Kombinationseffekten in der Soja,
(3) die mangelhafte Untersuchung der Auswirkungen auf das menschliche Immunsystem,
(4) die fehlende Überwachung möglicher gesundheitlicher Auswirkungen des Verzehrs dieser Bohnen.


Die Europäische Kommission hatte die Soja Ende Juni 2012 für die Verwendung in Futter- und Lebensmitteln zugelassen. Dagegen hatten sechs Organisationen im August 2012 eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht. Im Januar hatte die EU-Kommission die Beschwerde zurückgewiesen. Dabei wurde drei der Organisationen die Möglichkeit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach EU-Verordnung 1367/2006 eingeräumt. Die Klage wurde im März 2013 eingereicht. Im September 2013 traten Monsanto, die Regierung von England und die EFSA der Klage auf Seiten der Kommission bei. Am 15. Dezember 2016 wies der Gerichtshof die Klage ab. Im Februar 2017 legten die Kläger Revision gegen die Entscheidung ein (C-82/17 P). Dem Gerichtshof werden grundsätzliche rechtliche Fragen in Zusammenhang mit der EU-Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen zur Entscheidung vorgelegt.


Welche spezifischen Risiken gehen von der Gentechnik-Soja aus?
1. Die Rückstände von Glyphosat
In der EU sind bereits 12 gentechnisch veränderte Sojavarianten zum Import zugelassen. Jedes Jahr werden 30 bis 40 Millionen Tonnen transgene Soja in die EU importiert – das meiste davon als Tierfutter. Fast alle dieser Sojabohnen sind gegen Glyphosat resistent und enthalten entsprechende Herbizid-Rückstände, so auch die Gentechnik-Soja „Intacta“. Die gesundheitlichen Risiken dieser Rückstände können nicht genau eingeschätzt werden: Einerseits hält die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA – anders als die Weltgesundheitsorganisation WHO - den Wirkstoff Glyphosat für unbedenklich. Auf der anderen Seite stellte die EFSA 2015 aber fest, dass sie die gesundheitlichen Risiken der Rückstände in den gentechnisch veränderten Sojabohnen nicht einschätzen kann [http://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/4302]. Der Grund: Glyphosat wird in Mischungen wie Roundup nicht alleine eingesetzt, sondern zusammen mit weiteren Stoffen, die zum Teil wesentlich giftiger sind als Glyphosat selbst. Im Ergebnis bergen Sojabohnen wie „Intacta“ ein erheblichesund schwer einschätzbares gesundheitliches Risiko.


2. Die Bt-Toxine
Wie bereits erwähnt, produzieren die Sojabohnen ein Insektengift, ein sogenanntes Bt-Toxin, das als Cry1Ac bezeichnet wird. Dieses ist nicht nur giftig für Fraßschädlinge, sondern kann bei Mensch und Tier Reaktionen des Immunsystems auslösen. Es kann beispielsweise Reaktionen auf Allergene verstärken und auch zu entzündlichen Reaktionen führen. Speziell bei Soja sind diese Eigenschaften brisant, denn Sojabohnen produzieren von Natur aus eine ganze Reihe von allergieauslösenden Eiweißstoffen. Das Bt-Toxin, das von „Intacta“ produziert wird, könnte deswegen dazu führen, dass Allergien durch den Verzehr dieser Soja weiter zunehmen. Diese Sorge wird noch dadurch verstärkt, dass es weitere Stoffe in Sojabohnen gibt (wie Trypsin-Inhibitoren), die den Abbau der Toxine bei der Verdauung verzögern. Dadurch können diese im Darm länger wirken als es der Fall wäre, wenn man die Toxine in isolierter Form zu sich nimmt. Welche Menge der Bt-Toxine zusammen mit den Sojabohnen tatsächlich in Lebens- und Futtermittel gelangen, ist nicht bekannt: Die Menge Cry1Ac, die in den Sojabohnen produziert wird, schwankt und istabhängig von Umwelteinflüssen. Zudem kommen bei der Verarbeitung der Soja zu Lebens- und Futtermittel sehr unterschiedliche Verfahren zum Einsatz, die ebenfalls Einfluss auf den Gehalt des Insektengiftes haben können. Tatsächlich liegen also keine ausreichend verlässlichen Daten über den Bt-Gehalt in der Nahrungskette vor – und das tatsächliche Risiko ist somit nicht einschätzbar.


3. Wechselwirkungen
Schließlich gibt es ein weiteres Risiko: Die Rückstände der glyphosathaltigen Spritzmittel und die Bt-Toxine könnten in Wechselwirkung ihre Giftigkeit verstärken. Es gibt beispielsweise Untersuchungen, die zeigen, dass Bt-Toxine auch bei Organismen wirksam werden, die normalerweise gegenüber diesen Stoffen unempfindlich sind, wenn sie zusammen mit weiteren Giftstoffen verabreicht werden. Dieses Problem, das auch die Sicherheit von Futter- und Lebensmitteln betrifft, wurde nicht untersucht.

 

Weitere Informationen zu den übrigen Organisationen:

ENSSER: www.ensser.org
Gesellschaft für Ökologische Forschung: www.oekologische-forschung.de
Manfred-Hermsen-Stiftung: www.m-h-s.org
Sambucus: www.sambucus.org
Zukunftsstiftung Landwirtschaft: www.zs-l.de
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): www.abl-ev.de

 

Weitere Informationen:

Stellungnahme des Generalanwalts zur Revision (Oktober 2018): https://www.testbiotech.org/node/2286
Testbiotech, Sambucus und ENSSER gehen in die Revision: http://www.testbiotech.org/node/1884
Eine wissenschaftliche Publikation zum Thema: www.testbiotech.org/node/1813
Die Entscheidung des Gerichts vom Dezember 2016: www.testbiotech.org/node/1787
Text der Klage, März 2013: www.testbiotech.org/node/782
Reaktion der Kommission auf Beschwerde, Januar 2013: http://www.testbiotech.org/node/1637
Text der Beschwerde, Juli 2012: www.testbiotech.de/node/691