EU-Kommission: Politische Statements statt wissenschaftlicher Argumente

Neues Schreiben zeigt den Einfluss von Handelsinteressen und CETA

14. April 2022 / Die EU-Kommission behauptet in einem Brief vom April 2022, dass ungewollte Effekte, die durch Anwendung der CRISPR/Cas-Technologie in Pflanzen verursacht werden, nicht mit neuen und spezifischen Risiken einhergehen würden. Der Brief ist eine Reaktion auf ein gemeinsames Schreiben der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Testbiotech. Nach der Analyse von Testbiotech steht die Behauptung der EU-Kommission nicht in Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Fakten, sondern ist ganz wesentlich von Handelsinteressen beeinflusst, wie sie insbesondere durch das Freihandelsabkommen CETA zum Ausdruck kommen.

Wie ein aktueller Bericht von Testbiotech und dem Canadian Biotechnology Action Network (CBAN) zeigt, gibt es klare Belege dafür, dass durch das Potenzial der Gen-Schere CRISPR/Cas spezifische Risiken verursacht werden. Mit ihrer Hilfe können GentechnikerInnen die natürliche Genomorganisation umgehen, ganze Genfamilien verändern, die Reparatur von Genfunktionen verhindern und genetische Veranlagungen voneinander trennen, die sonst gemeinsam vererbt werden.

In der Folge gehen die Veränderungen von Genotypen und Phänotypen oft weit über das hinaus, was durch die konventionelle Züchtung erreicht wird, die nur Mutationen nutzt, wie sie auch natürlicherweise auftreten könnten. Diese Unterschiede betreffen sowohl die beabsichtigten Eigenschaften als auch unbeabsichtigte Effekte und gehen mit einer neuen Qualität von Risiken für Mensch und Umwelt einher. Beispielsweise können die Pflanzen neue Inhaltsstoffe produzieren, einzigartige Veränderungen ihrer Inhaltsstoffe aufweisen, unbeabsichtigt auch Transgene vererben und die komplexen Wechselwirkungen in den Ökosystemen stören.

Die EU-Kommission ignoriert allerdings jegliche wissenschaftliche Evidenz in Bezug auf diese Risiken. Diese einseitige Wahrnehmung zeigte sich bereits im offiziellen Bericht der Kommission vom April 2021, in dem die Risiken der Neuen Gentechnik bei Pflanzen denen der konventionellen Züchtung gleichgestellt wurden. Diese falsche Darstellung wird im aktuellen Brief wiederholt, in dem es heißt: „(…) die unbeabsichtigten Veränderungen bedingen keine neuen und spezifischen Risiken im Vergleich zu Mutationen, die in der konventionellen Züchtung oder nach physikalischer und chemischer Mutagenese auftreten.“

Die Formulierung der Kommission liest sich wie ein Echo von politischen Stellungnahmen der kanadischen Behörden. Diese behauptet in einem Brief an CBAN im Januar 2022: „Die Methoden des Gen-Editing [Neue Gentechnik] verursachen im Vergleich zu allen anderen Verfahren der Pflanzenzucht keine einzigartigen Risiken.“

Sowohl die kanadischen Behörden als auch die EU-Kommission beziehen sich dabei auf eine einseitige Auswahl wissenschaftlicher Publikationen und missachten zugleich neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die auf spezifische Risiken schließen lassen. Diese Art der ‚Rosinenpickerei‘, die auf beiden Seiten des Atlantiks betrieben wird, ist keineswegs zufällig. Wie Protokolle der CETA-Treffen zeigen, übt die kanadische Seite erheblichen Druck auf die EU aus, um eine beschleunigte Marktzulassung für gentechnisch veränderte Pflanzen und eine Deregulierung der Neuen Gentechnik zu erreichen.

Christoph Then von Testbiotech kommentiert: „Wenn es um die Risiken gentechnisch veränderter Organismen geht, sollte die Politik der Wissenschaft und nicht Handelsinteressen folgen. Es ist unsere Verantwortung, Schaden von künftigen Generationen abzuwenden. Deswegen muss das Vorsorgeprinzip beachtet werden.”

Das Handelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen der EU und Kanada verlangt in Artikel 25 „regulatory cooperation to minimize adverse trade impacts of regulatory practices related to biotechnology products”. Das hat zur Einrichtung von jährlichen Treffen geführt, bei denen u.a. über den Marktzugang für gentechnisch veränderte Pflanzen verhandelt wird. Dabei forderte die kanadische Seite bspw. bei einem Treffen im Oktober 2020 einen pragmatischen Umgang mit der Neuen Gentechnik, weil die entsprechenden Organismen angeblich nicht von denen aus konventioneller Züchtung zu unterscheiden seien.

Die Rahmenbedingungen von CETA beeinflussen wahrscheinlich auch aktuelle Stellungnahmen der EU-Kommission zu mit Hilfe von CRISPR/Cas erzeugten Hühnern. In ihrem Brief vom April wiederholt die EU-Kommission ohne jegliche genauere Risikobewertung einfach die Behauptung der Herstellerfirma. Demnach seien keine unerwarteten Effekte zu erwarten und die Eier der Hühner könnten ohne Kennzeichnung vermarktet werden. Auch diese Stellungnahme zeigt die Absicht zur Deregulierung der Neuen Gentechnik im Sinne von CETA, wobei die gesetzlichen Vorgaben für Risikoprüfung und Kennzeichnung der Produkte missachtet werden. Wie eine aktuelle Umfrage unter VerbraucherInnen in Deutschland zeigt, gibt es eine überwältigende Ablehnung derartiger Eier, insbesondere, wenn sie ohne Kennzeichnung eingeführt werden.

Kontakt:
Christoph Then, Tel 015154638040, info@testbiotech.de

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