Europäischer Gerichtshof hält genauere Prüfung der Risiken von Gentechnik-Soja nicht für notwendig

Entscheidung über Klage dreier Nichtregierungsorganisationen gegen EU-Zulassung einer Soja von Monsanto (Bayer)
Donnerstag, 12. September 2019

Heute hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil zu einer Klage veröffentlicht, die Testbiotech gemeinsam mit dem Europäischen Netzwerk kritischer WissenschaftlerInnen (European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility, ENSSER) sowie dem Verein Sambucus eingereicht hatte (C-82/17P). Dabei geht es um die Risiken einer Gentechnik-Soja des Konzerns Monsanto (Bayer) mit dem Markennamen 'Intacta'. Nach dem Urteil des Gerichts wurden die Risiken der Gentechnik-Soja ausreichend untersucht, bevor sie zum Import zugelassen wurden. Die Organisationen wollten mit ihrer Klage höhere Standards für die Zulassungsprüfung gentechnisch veränderter Pflanzen durchsetzen.

Im Erbgut dieser Pflanzen sind zwei mittels Gentechnik herbeigeführte Eigenschaften kombiniert: Sie produzieren ein Insektengift, ein sogenanntes Bt-Toxin, und sind gleichzeitig unempfindlich gegenüber dem Unkrautvernichtungs­mittel Glyphosat. Es ist die erste Sojapflanze mit einer Kombination dieser Eigenschaften. Die Organisationen hatten schon 2013 gegen die EU-Kommission geklagt, die diese Soja für den Import zugelassen hatte. Auf Seiten der EU-Kommission waren daraufhin die Firma Monsanto, die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA und die Regierung von Großbritannien der Klage beigetreten.

Nach Auffassung der Kläger wurde die Soja vor der Zulassung nicht ausreichend auf gesundheitliche Risiken untersucht. Unter anderem geht es dabei um Wechselwirkungen der Herbizidrückstände mit dem von den Pflanzen produzierten Insektizid. Zudem besteht der Verdacht, dass mit dem Verzehr der Soja ein erhöhtes Risiko für Immunkrankheiten einhergeht. In dem Verfahren ging es unter anderem um die Frage, wer die Beweispflicht für die Sicherheit von Gentechnik-Pflanzen hat.

„Es kann kein Zweifel bestehen, dass die EU bisher viel zu nachlässig mit den Zulassungsprüfungen umgegangen ist. Inzwischen wurden bereits rund 70 Importgenehmigungen erteilt, die meisten Pflanzen sind gleich mehrfach gentechnisch verändert. Dabei müssten die gesundheitlichen Risiken des Verzehrs von Nahrungsmitteln, die diese Pflanzen enthalten, wesentlich genauer untersucht werden. Hier geht es auch um die spezifischen Kombinationswirkungen der in den Pflanzen enthaltenen Herbizide und Insektizide,“sagt Christoph Then für Testbiotech.

„Wir hoffen, dass die neue EU-Kommission mit der Praxis ihrer Vorgänger brechen wird und dem Schutz von Mensch und Umwelt mehr Gewicht als den Interessen von Konzernen einräumen wird. Die EU muss sich auch fragen lassen, warum sie überhaupt Importe von Gentechnik-Soja genehmigt, wenn klar ist, dass diese Importe die Abholzung der Regenwälder und den großflächigen Einsatz von Glyphosat fördert“, sagt Angelika Hilbeck für ENSSER.

Testbiotech, ENSSER und GeneWatch UK veranstalten am 29. Oktober eine Tagung in der Schweiz, bei der mehrere Berichte zu den Mängeln der bisherigen Zulassungspraxis in der EU und der Schweiz veröffentlicht werden sollen. Die Berichte sind das Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojektes (RAGES), an dem rund ein Dutzend industrieunabhängige europäische WissenschaftlerInnen beteiligt waren. Zur Tagung eingeladen sind auch die EU-Kommission und die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA. Testbiotech erwartet, dass das Ergebnis zu wesentlichen Verbesserungen in der Gentechnik-Politik der EU beitragen wird.

Es ist das erste Mal, dass der EuGH eine Klage von Nichtregierungsorganisationen gegen eine Importzulassung von Gentechnik-Pflanzen verhandelt hat. „Obwohl das Gericht in diesem Fall eine genauere Risikoprüfung nicht für notwendig hält, ist es für uns ein Erfolg, dass unsere Klage angenommen wurde und wir uns auch in Zukunft auf dem Rechtsweg für die Umsetzung des Vorsorgeprinzips einsetzen können,“ sagt Angela von Beesten von Sambucus.

Die Klagen von Testbiotech werden insbesondere von folgenden Geldgebern gefördert: Altner-Combecher Stiftung, Grassroots Foundation, Hatzfeldt Stiftung, Software AG Stiftung sowie Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Bereits im März 2018 hatte Testbiotech in einem anderen Fall einen Erfolg erzielt: Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hatte entschieden, dass Klagen gegen die EU-Importzulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen grundsätzlich zulässig sind (T-33/16). Testbiotech will weitere Klagen gegen die EU-Zulassungen einreichen und dabei die bisher gesammelten Erfahrungen berücksichtigen.

Die beteiligten Organisationen:

ENSSER: www.ensser.org
Sambucus: www.sambucus.org
Testbiotech: www.testbiotech.org

Kontakt: 

Christoph Then (Testbiotech): Tel 0151 54638040, info@testbiotech.org
Angelika Hilbeck (ENSSER): ahilbeck@ensser.org
Angela von Beesten (Sambucus): Tel 04267 1770, info@sambucus.org