Essen aus dem Genlabor

„Wissenschaftlich sei die Kirsche ohne Kerne gar keine große Herausforderung (…) ‚Im nächsten Jahrzehnt sind wir so weit.‘ (…) Dann wachsen die Kirschen auf Sträuchern. ‚Sie können dann überall wachsen, und wir können sie das ganze Jahr über essen.‘“ berichtet die Süddeutsche Zeitung im März 2024 und verbreitet damit die Versprechungen der US-Firma Pairwise.
Pairwise ist ein Startup, das zahlreiche Patente auf Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) anmeldet hat und u.a. mit dem Bayer-Konzern zusammenarbeitet. Auch in der Entwicklung: Brombeeren ohne Dornen und Senfblätter ohne die Schärfe, die sonst für diese Pflanze typisch ist. Der Senf soll sich so ähnlich wie Salat verzehren lassen (Karlson et al. 2022).
Keines dieser Produkte ist für unsere Ernährung notwendig, aber sie sollen den VerbraucherInnen eine Zukunft ohne Kerne, ohne Dornen und weniger Schärfe schmackhaft machen und so ‚Essen aus dem Genlabor‘ konsumentenfreundlich, populär und profitabel machen. Zugleich rückt in den Hintergrund, dass sich insbesondere Pflanzen wie der Braune Senf in der Umwelt unkontrolliert vermehren und ihre neuen Genkombinationen auch in Wildpflanzen ausbreiten können – mit nur schwer vorhersehbaren Folgen (mehr dazu auf unserer Projektseite Grenzen setzen!).
Ob die Zielgruppe der VerbraucherInnen da mitgeht, ist zweifelhaft. Nachdem die Firma Pairwise ihren entschärften Senf 2023 in den USA auf den Markt gebracht hatte, verabschiedete sie sich bereits im Februar 2024 wieder aus dem Geschäft, weil sich die Pflanzen schwieriger vermarkten ließen als erwartet (siehe Testbiotech-Meldung dazu). Fortgeführt werden soll die Vermarktung jetzt von der Firma Bayer. Ob es dem Bayer-Konzern gelingt, den VerbraucherInnen die richtigen Argumente für den Konsum des Gentechnik-Senfs zu liefern, bleibt abzuwarten.
Ob Kirschen ohne Kerne wirklich das sind, was die moderne Menschheit braucht (und künftig kaufen wird), wird sich zeigen, falls sie tatsächlich auf den Markt kommen. Gute Gegenargumente gibt es jedenfalls auch jetzt schon – so schreibt Die Zeit: „Rettet den Kirschkern!“. Und klar sein dürfte auch: Wenn diese NGT-Frucht keine Kerne hat, nicht am Baum wächst und das ganze Jahr geerntet werden kann, ist sie eben auch keine Kirsche.
Veröffentlichungsjahr:
2025
Weitere Informationen:
Karlson, D. et al. (2022): Targeted Mutagenesis of the Multicopy Myrosinase Gene Family in Allotetraploid Brassica juncea Reduces Pungency in Fresh Leaves across Environments.