Neu-domestizierte Tomate

Kombination bekannter Genvarianten führt zu bisher nicht bekannten Eigenschaften

Mit dem Einsatz der ‚Gen-Schere‘ CRISPR-Cas ist es 2018 gelungen, mehrere Erbanlagen der Wildform von Tomaten gleichzeitig zu verändern. ‚Schnitte‘ an sechs Genen verwandelten Tomatenpflanzen mit kleinen Früchten, die an buschigen Pflanzen wachsen, in Pflanzen mit Früchten, die ähnlich aussehen wie derzeit im Handel befindliche Früchte. Die AutorInnen aus den USA, Brasilien und Deutschland berichten, dass sie die Ergebnisse jahrzehntelanger Züchtung so innerhalb kürzester Zeit wiederholen konnten. Zudem hätten die resultierenden Gentechnik-Tomaten eine viel höhere Konzentration an gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen.

Bei der parallelen Veränderung mehrerer Erbanlagen auf einen Streich spricht man von ‚Multiplexing‘. Obwohl dabei keine zusätzlichen Gene eingefügt wurden, sind die Ergebnisse erstaunlich: Die Zahl der Früchte sowie deren Größe, Form und Inhaltsstoffe wurden in wenigen Arbeitsschritten und innerhalb kurzer Zeit verändert. Zwar sind die per Gentechnik herbeigeführten Genvarianten bereits von anderen Tomatensorten bekannt, doch werden sie hier in einen neuen genetischen Zusammenhang einfügt, der Wildform der Tomate. Es entsteht so eine neue, bisher nicht mögliche Genkombination. Im Ergebnis wurde nicht die traditionelle Züchtung wiederholt, sondern es entstand eine ‚neue‘ Tomate mit einer bisher nicht bekannten Zusammensetzung von Inhaltsstoffen.

Die damit verbundenen Unsicherheiten in Bezug auf die Risikobewertung werden auch von der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA 2022) thematisiert. Demnach existieren keine Tomatensorten aus konventioneller Zucht, die zu einem Vergleich herangezogen werden könnten, um die Sicherheit der CRISPR-Tomate zu überprüfen.

Dieses Beispiel zeigt: Während man in der herkömmlichen Züchtung über viele Jahre und mehrere Stufen Erfahrungen sammeln konnte, fallen jetzt alle diese Zwischenschritte durch das ‚Multiplexing‘ weg. Auch wenn das Ergebnis so ähnlich aussieht wie eine herkömmlich gezüchtete Tomate, ist die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe der neuen CRISPR-Tomate von denen bisheriger Tomatensorten verschieden. Die Eingriffstiefe und die Geschwindigkeit der genetischen Veränderungen bedingen neue Risiken und Unsicherheiten für Mensch und Umwelt.

Veröffentlichungsjahr: 
2023

Weitere Informationen: 
EFSA Scientific Opinion
Publikation zur Neu-domestizierten Tomate

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