Alles „G-Klärt“?

Wie sich Galileo beim Thema Gentechnik alles viel zu einfach macht

7. Februar 2023 / Im Januar 2023 strahlte ProSieben (Galileo) eine Sendung zum Thema Gentechnik in der Landwirtschaft aus („Genfood: Unkalkulierbares Risiko oder Werkzeug für bessere Ernährung?“). Darin wurde große Hoffnung verbreitet: „Gentechnik verändert die Pflanzen zu größeren Früchten, Körnern oder Knollen. Das könnte das weltweite Ernährungsproblem lösen. Gentechnik ist dabei schneller als die traditionelle Züchtung. Doch es geht nicht nur um Menge, sondern auch um bessere Qualität.“

Doch warum, so fragen sich die MacherInnen der Sendung, werden diese Pflanzen in Europa nicht angebaut. Und liefern die Antwort gleich mit: „Seit 2012 ist im gesamten EU-Bereich der Anbau von genmanipulierten Pflanzen nicht erlaubt.

Für alle interessierten ZuschauerInnen, die sich bereits mit dem Thema Gentechnik und Landwirtschaft befasst haben, sind das äußerst merkwürdige Aussagen. Denn weder ist der Anbau von Gentechnik in der EU untersagt (er findet z.B. seit 1998 in Spanien statt) noch hat die Gentechnik jemals größere Früchte, Körner oder Knollen hervorgebracht. Aber bei Galileo sagt man dazu: Wir haben das „G-Klärt“.

Ein Kronzeuge, der in der Sendung zu Wort kommt, ist Professor Peter Beyer der Universität Freiburg. Er forscht seit mehr als zwanzig Jahre zum ‚Golden Rice‘. In der Sendung behauptet er, dass eine v.a. von NGOs initiierte „Angstkampagne“ verhindert haben soll, dass der Reis angebaut wird. Testbiotech befasst sich zwar erst seit zehn Jahren mit dem Thema, aber auf Grundlage der vorliegenden Daten zeigt sich, dass nach wie vor unklar ist, ob der Reis überhaupt geeignet ist, den ernährungsbedingten Vitamin-A-Mangel zu beheben. Gründe sind z.B. niedrige Gehalte an Beta-Karotin in den geernteten Körnern und Verluste beim Kochen und Lagern. Zudem fehlen Daten aus Fütterungsversuchen und niemand hat je erklärt, wie eine unkontrollierte Ausbreitung des Reises in die regionalen Sorten auf den Philippinen verhindert werden soll. All das wurde in der Sendung nicht thematisiert.

Weitere Kronzeugin ist Svenja Augustin, die am Zentrum für Entwicklungsgenetik der Universität Düsseldorf an gentechnisch veränderten Pflanzen forscht. Frau Augustin ist zudem im Verein „Öko-Progressives Netzwerk e. V.“ (ÖkoProg) aktiv. Laut dem Lobbyregister des Deutschen Bundestages ein Verein, der sich der „Entwicklung und Diskussion von wissenschaftsbasierten Transformation-Strategien für eine nachhaltige Zukunft widmet.“ ÖkoProg ist u.a. auf Twitter aktiv, hier trommelt der Verein seit Monaten für eine Deregulierung gentechnisch veränderter Pflanzen. Mitglieder des Netzwerkes waren in den letzten Monaten in Sendungen wie MaiThinkX (ZDF), Panorama (ARD), Unser Land (BR Fernsehen) und eben Galileo zu sehen. Stets in ihrer Rolle als WissenschaftlerInnen, ihre Vereinstätigkeiten und deren Agenda wurden (wenn überhaupt) nur am Rande erwähnt.

Svenja Augustin jedenfalls weiß, dass Gentechnik sicher ist: „Der Vorwurf, dass es nicht genug Sicherheitsforschung gebe, lässt sich mit nahezu drei Jahrzehnten Sicherheitsforschung widerlegen. Und insbesondere auch die großen Wissenschaftsorganisationen sind zu dem Schluss gekommen, dass von Gentechnik als Methode kein höheres Risiko ausgeht als von konventioneller Züchtung.“ Gerne hätte man Frau Augustin gefragt, wer tatsächlich unabhängige Risikoforschung betrieben hat, was untersucht wurde und wo die Ergebnisse veröffentlicht wurden. Eine weitere interessante Frage ist auch, warum große Wissenschaftsorganisationen wie die Leopoldina sich in dieser Frage ausgerechnet auf ExpertInnen berufen, die selbst Patentanträge auf gentechnisch veränderte Pflanzen eingereicht haben. Gerne hätte Testbiotech sich dazu auch im direkten Gespräch geäußert. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Öko-Progressive Netzwerk e.V. an den Scheinriesen Tur Tur von Michael Ende erinnert: Je näher man diesen HeldInnen der Twitter-Szene kommt, desto weniger scheinen ihre Argumente belastbar. Diese Sendung wäre eine gute Gelegenheit zur Klärung der Argumente gewesen.

Christoph Then von Testbiotech war als weiterer Protagonist in der Sendung: Am 3. Januar 2023 lud ihn das Fernsehteam zum Interview in ein Gewächshaus in München. Laut ‚Drehdispo‘ waren zwei Stunden für das Interview vorgesehen. Es ging um Risiken des Einsatzes der Gentechnik in der Landwirtschaft, Golden Rice, Sicherheitsforschung und die Gen-Schere. Das Drehteam war an kurzen Antworten interessiert, lange Erklärungen waren eher nicht gewünscht. Nach dem Dreh, so geht es aus dem ‚Drehdispo‘ hervor, wollte man gleich nach Düsseldorf fahren. Auf Nachfrage, ob das Thema in einem Pro-und Kontra-Format abgehandelt werden sollte, blieb das Drehteam schwammig. Erst bei Ausstrahlung der Sendung wurde klar, was (in Düsseldorf) bereits vorher geplant war: Aus dem Zusammenhang gelöste, einzelne Sätze aus dem Interview wurden Frau Augustin zur Kommentierung überlassen. Das Ergebnis dürfte auch für viele ZuschauerInnen tendenziös wirken, die mit dem Thema bisher wenig Berührung hatten. Die Argumente, die im Interview mit Christoph Then zur Sprache kamen, wurden herausgeschnitten, weil sie nicht in das Konzept der Sendung gepasst hätten. Stattdessen warb Galileo zum Abschluss/am Ende der Sendung für die ÖkoProg-Initiative ‚Give Genes a Chance'.

Gerne hätte Testbiotech an einer Sendung mitgewirkt, die dem Austausch von echten Argumenten eine Chance gegeben hätte. Spannende Frage: Welcher TV-Sender wird es als erster wagen, den ‚Pro und Contra‘-Argumenten tatsächlich Raum zu geben? Oder ist etwa schon alles „G-Klärt“?