6. September 2021 / Gentechnik-Weizen, der beim Backen weniger krebserregendes Acrylamid bildet, soll bei Freisetzungsversuchen in England getestet werden. Mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas wurde ein bestimmtes Gen ausgeschaltet, das für die Bildung der Aminosäure Asparagin und letztlich auch für die Bildung von Acrylamid beim Backen ausschlaggebend ist. Asparagin ist aber auch für die Keimfähigkeit, das Wachstum der Pflanzen, ihre Stresstoleranz und die Abwehr von Pflanzenkrankheiten wichtig. Wie vorliegende Publikationen zeigen, sind die Risiken komplex und müssen eingehend untersucht werden.
Organisiert wird die Freisetzung vom Forschungsinstitut Rothamsted Research. Mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas gelang es dort, den Gehalt an frei verfügbarem Asparagin in den Körnern um bis zu 90 Prozent zu vermindern. Dafür wurde die Funktion von mehreren Kopien (Allele) eines Gens (TaASN2-Gen) blockiert. Allerdings waren einige Samen dieses CRISPR-Weizens nicht mehr keimfähig. Deswegen soll in den Freisetzungsversuchen auch eine Version des Weizens getestet werden, in der nicht alle Gen-Kopien ausgeschaltet sind.
Zum Vergleich soll zusätzlich noch ein Weizen angebaut werden, der genetische Veränderungen (Mutationen) aufweist, die aus konventionellen Zuchtverfahren stammen. Dabei unterscheidet sich das Muster der genetischen Veränderungen (Genotyp) deutlich von dem des CRISPR-Weizens und auch der Gehalt an Asparagin ist nicht so stark verringert.
Der gentechnisch veränderte Weizen zeigt unerwartete Eigenschaften: So wurde die Konzentration gleich mehrerer Aminosäuren ungewollt verändert. Zudem unterliegt der Gehalt an Asparagin deutlichen Schwankungen. Ob weitere unerwünschte Veränderungen im Stoffwechsel der Pflanzen verursacht wurden, muss noch genauer erforscht werden. Dabei müssen mehrere Stufen der gentechnischen Veränderung berücksichtigt werden.
Für die erste Stufe des Prozesses der gentechnischen Veränderung wurde zunächst die DNA für die Produktion der Gen-Schere und eine Resistenz gegen Herbizide eingeschleust. Dafür wurde eine sogenannte ‚Gen-Kanone‘ verwendet (biolistisches Verfahren). Dieses Verfahren der ‚alten Gentechnik‘ ist dafür bekannt, dass es oft ungewollte Veränderungen im Erbgut verursacht. Die zusätzlich eingebauten Gene sollen durch weitere Züchtung wieder aus den Pflanzen entfernt werden. Falls das erfolgreich ist, muss aber das Erbgut immer noch nach ungewollten Veränderungen durchsucht werden, die durch den Einsatz der ‚Gen-Kanone‘ ausgelöst wurden.
Auch die Aktivität der Gen-Schere selbst führte zu ungewollten Effekten, die mit Risiken für Mensch und Umwelt einhergehen, wie die Einfügung zusätzlicher DNA in der Zielregion und die Produktion fehlerhafter Eiweißstoffe. Diese Nebenwirkungen der gentechnischen Veränderung ‚On-Target‘ werden in einer aktuellen Publikation ausführlich beschrieben. Bisher nicht untersucht wurden aber unbeabsichtigte Veränderungen an anderen Stellen des Erbguts (‚Off-Target‘), die durch die mangelhafte Präzision der Gen-Scheren verursacht werden können.
Um alle ungewollten genetischen Veränderungen zu ermitteln, müsste man das gesamte Genom der Pflanzen durchsuchen. Dies ist beim Weizen aufgrund der Größe des Erbguts jedoch nur schwer möglich. Rothamsted Research kann also keineswegs sicher sein, dass der CRISPR-Weizen nur die erwünschten genetischen Veränderungen aufweist. Zudem ist völlig unklar, wie der Weizen auf Umweltstress reagiert, mit den Ökosystemen interagiert und ob Anbau und Verzehr für Mensch und Umwelt tatsächlich undenklich sind.
Nach Einschätzung von Testbiotech zeigt sich an diesem Beispiel deutlich, wie schwierig die Abschätzung der spezifischen Risiken ist, die durch die Verfahren der Neuen Gentechnik verursacht werden. Ohne eingehende Untersuchungen kann die Sicherheit dieser Pflanzen nicht beurteilt werden. Dagegen will die Industrie erreichen, dass Pflanzen, solange in deren Erbgut keine zusätzlichen Gene zu finden sind, keiner eingehenden Risikoprüfung unterzogen werden.
Kontakt: Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel 0151 54638040