Warum wir mehr unabhängige Risikoforschung brauchen

Brauchen wir überhaupt Forschung, wenn viele Menschen doch Gentechnik und Pestizideinsatz sowieso ablehnen? Die Forderung nach mehr unabhängiger Risikoforschung bedeutet nicht, dass neue Gentechnik-Pflanzen entwickelt werden sollen.

Vielmehr soll die Risikoforschung nicht länger von den Interessen der Industrie bestimmt werden. Industrienahe Forscher dürfen nicht länger Steuergelder abgreifen und dann auch noch behaupten, alles sei sicher, obwohl die Risiken gar nicht untersucht wurden. Tatsächlich wird Jahr für Jahr sehr viel Geld in Forschung gesteckt, ohne dass dadurch wirklich mehr Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt geschaffen wird:

Die EU investiert derzeit etwa 6 Millionen Euro in das Projekt GRACE, um die Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen erforschen zu lassen. Vergeben wurden die Gelder an ein Forschungsteam, das zu großen Teilen aus industrienahen Experten besteht. Weil es derartige Experten und ihre Netzwerke seit Jahren verstehen, die Gelder aus der staatlichen Förderung abzurufen, gibt es viel zu wenig Wissenschaftler, die sich wirklich kritisch und unabhängig mit den Risiken auseinandersetzen. Zugleich hängen auch auch viele Lehrstühle der Universitäten am Tropf der Drittmittelforschung der Industrie – in diesem Klima kann keine wirklich unabhängige Risikoforschung entstehen. Ähnlich ist die Situation bei Pestiziden: Auch hier basieren die Daten für die Zulassung zum größten Teil auf den Dossiers der Industrie. Deswegen wissen wir beispielsweise über die gesundheitlichen und ökologischen Risiken von Pestizid-Mischungen, wie sie in der Praxis eingesetzt werden, viel zu wenig – das betrifft auch die Rückstände dieser Spritzmittel in gentechnisch veränderten Pflanzen.

In der EU sind etwa 50 verschiedene gentechnisch veränderte Pflanzen ("Events") für Futter- und Lebensmittel bereits zugelassen und dürfen hier frei vermarktet werden, ein Dutzend dieser Pflanzen steht zur Zulassung für den Anbau an. Fast alle diese Pflanzen produzieren Insektengifte und / oder sind regelmäßig mit den Herbiziden belastet, gegen die sie resistent gemacht wurden. Weil diese Pflanzen bei uns verkauft werden dürfen, gelten sie als sicher und werden in anderen Teilen der Welt großflächig angebaut. So lange es keine unabhängige Risikoforschung gibt und die Standards für die Risikobewertung nicht angehoben werden, ist davon auszugehen, dass Mensch, Tier und Umwelt weiterhin diesen Risiken ausgesetzt werden. Politische Entscheidungen dürfen nicht nur auf der Grundlage von Forschung und Wissenschaft getroffen werden. Aber Politik und Gesellschaft sollten mehr über die Risiken wissen, so lange diese Produkte als Lebensmittel vermarktet werden oder sogar großflächig angebaut werden. Die Industrie hat die Forschung aber weitgehend auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet: Die Standards für die Zulassung sind zu niedrig, die vorgelegten Studien nicht ausreichend. Wir brauchen nicht mehr Risikoforschung, wir brauchen Unabhängigkeit und Transparenz. Mit den Forschungsgeldern müssen unabhängige Wissenschaftler gefördert werden, die den Schutz von Mensch und Umwelt ernst nehmen und die Risiken nicht verdrängen. Das Prinzip der Vorsorge und die Grenzen des Wissens müssen in der Forschung mehr Gewicht erhalten.

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