Der Europäische Bürgerbeauftragte hat seine abschließende Stellungnahme zu einer Beschwerde von Testbiotech über Interessenkonflikte bei der EU-Lebensmittelbehörde EFSA veröffentlicht. Der Fall betrifft Harry Kuiper, der von 2003 bis 2012 Vorsitzender des Gentechnik-Panels war. Der Ombudsmann hatte bei der Behörde in Parma Akteneinsicht genommen und dabei insbesondere die Jahre 2009 bis 2013 geprüft. Während dieser Zeit war laut Stellungnahme kein Interessenkonflikt erkennbar. Dabei wurde jedoch der entscheidende Zeitraum von 2003 bis 2005 nicht im Detail geprüft: Während dieser Zeit war Kuiper Vorsitzender des Gentechnik-Panels der EFSA. Gleichzeitig arbeitete er eng mit einer Task Group des International Life Sciences Institute (ILSI) zusammen, die aus Mitarbeitern von Konzernen wie Monsanto bestand.
Wie ein Bericht von Testbiotech aus dem Jahr 2010 zeigt, erarbeitete die Arbeitsgruppe von ILSI Standards für die Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen, die dann teilweise als Richtlinien der EFSA übernommen wurden. Eine derartige Zusammenarbeit steht im Widerspruch zu den heutigen Vorgaben der EFSA, die deren Unabhängigkeit regeln. Doch zwischen 2003 und 2005 verfügte die Behörde über keine Bestimmungen, die eine Kollaboration mit dem ILSI ausgeschlossen hätten. Die EFSA behauptet, dass die Zusammenarbeit zwischen Kuiper und dem ILSI 2005 offiziell beendet wurde. Der Ombudsmann ist der Ansicht, dass kein Interessenkonflikt vorgelegen habe, weil zu diesem Zeitpunkt die entsprechenden Regeln der EFSA noch nicht in Kraft gewesen seien. Gleichzeitig schreibt die EU aber schon seit 2002 vor, dass die Experten der Europäischen Lebensmittelbehörde unabhängig arbeiten müssen.
„Diese Entscheidung des Ombudsmanns ist äußerst unbefriedigend. Wir haben es immer wieder mit den Auswirkungen dieses Zusammenspiels von ILSI, Kuiper und EFSA zu tun. So soll jetzt beispielsweise der gentechnisch veränderte Mais 1507 unter anderem auf der Grundlage eines Prüfbescheids der EFSA zugelassen werden, der schon im Jahr 2005 verfasst wurde“, kritisiert Christoph Then von Testbiotech. „Und selbst wenn Kuiper 2005 offiziell seine Kooperation mit dem ILSI beendet hat: Macht ihn das zu einem unabhängigen Experten?“
In einem kürzlich veröffentlichten Report zum Mais 1507 legt Testbiotech der EFSA nahe, die Prüfberichte zu 1507 zurückzuziehen, weil diese substanzielle Fehler und Mängel aufweisen. Beispielsweise sprach sich die EFSA 2005 für den Anbau des insektengiftigen Mais 1507 aus, ohne dass es Untersuchungen zu den Risiken für die Raupen geschützter europäischer Schmetterlinge gegeben hätte, die empfindlich auf das in den Pollen produzierte Gift reagieren.
„Dieses Thema ist zu wichtig, um es auf sich beruhen zu lassen. Demnächst wird das Europäische Parlament wieder über das Budget der EFSA beraten, und wir werden unseren Druck aufrechterhalten, um zu erreichen, dass die Standards für die Unabhängigkeit der Behörde deutlich angehoben werden. Und es ist natürlich auch wichtig, dass die Anforderungen für die Risikoprüfung gentechnisch veränderter Pflanzen verschärft werden“, sagt Nina Holland von Corporate Europe Observatory, einer Organisation, die diese Beschwerde von Testbiotech unterstützt und begleitet hat.