8. November 2022 / Testbiotech hat im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) ein Gutachten zu Risiken der Neuen Gentechnik (NGT, auch Genome Editing) für Umwelt und VerbraucherInnen vorgelegt. Darin werden Eckpunkte für die künftige Regulierung von NGT-Organismen empfohlen. Testbiotech schlägt zwei Säulen der Zulassungsprüfung vor: zum einen eine Untersuchung der Risiken, die beabsichtigte als auch unbeabsichtigte genetische Veränderungen einbezieht. Zum anderen sollen auch die angeblichen Vorteile der Organismen zur Lösung drängender Probleme im Rahmen einer Technikfolgenabschätzung überprüft werden. Nur wenn beide Prüfungen zu einem positiven Ergebnis kommen, könne eine Zulassung erteilt werden.
Testbiotech warnt, dass die Lebensgrundlagen künftiger Generationen gefährdet werden, sollte es nicht gelingen, die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen wirksam zu kontrollieren. Schon bald könnten NGT-Organismen, die viele Arten umfassen und eine große Bandbreite unterschiedlicher Eigenschaften aufweisen, in die Umwelt entlassen werden. Dabei würden Freisetzungen im großen Maßstab auch zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit für unerwartete und unerwünschte Wechselwirkungen erhöhen.
Nach Einschätzung von Testbiotech gehen die bisherigen Vorschläge der EU-Kommission zur künftigen Regulierung von NGT-Organismen an der Realität vorbei. Die Kommission beruft sich dabei insbesondere auf Stellungnahmen der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zu NGT-Pflanzen, obwohl diese bisher gar kein Mandat hatte, die Risiken dieser Pflanzen umfassend zu untersuchen. So fehlen u.a. eine eingehende Bewertung unbeabsichtigter genetischer Veränderungen ebenso wie Einschätzungen zu möglichen Wechselwirkungen von unterschiedlichen NGT-Organismen in der Umwelt.
Das Gutachten zeigt, dass es wissenschaftlich belegte, spezifische Unterschiede zwischen NGTs und natürlichen Prozessen (bzw. konventionellen Züchtungsverfahren) gibt, die leicht zu übersehen sind, aber schwerwiegende Konsequenzen haben können. Ähnlich wie bei der Verschmutzung der Umwelt mit Plastik und Chemikalien muss es nicht ein bestimmter NGT-Organismus sein, der die Probleme verursacht.Vielmehr kann die Gesamtheit unterschiedlicher Auswirkungen unterschiedlicher Gentechnik-Organismen und deren Interaktionen entscheidend sein. Dabei können diese Umweltprobleme nicht nur wesentlich vielfältiger und komplexer sein, die Organismen können auch sehr lange in der Umwelt überdauern und somit viele zukünftige Generationen belasten.
Nach Testbiotech kann die neue Dimension der Gefährdungspotentiale, die mit der Freisetzung von NGT-Organismen einhergeht, die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme rasch überfordern. Dadurch können die NGTs zusätzlich zu den bereits existierenden menschengemachten Krisen wie dem Klimawandel zu einer weiteren Destabilisierung der Ökosysteme beitragen oder bestimmte nachteilige Effekte noch verstärken. Aus diesem Grund sollte die Einbringung von NGT-Organismen in die Umwelt in ihrer Gesamtheit möglichst begrenzt bleiben.
Hier betont Testbiotech die Rolle der Technikfolgenabschätzung. Die Verfahren der NGTs haben zwar ein großes Potential für genetische Veränderungen, dies kann jedoch nicht automatisch mit der Erzielung von echten Vorteilen gleichgesetzt werden. Es bedarf Leitlinien und Kriterien, um zwischen ‚tatsächlichen Vorteilen‘ und ‚leeren Versprechungen‘ zu unterscheiden. So zeigen viele Pflanzen oder Tiere, die mit NGTs in ihrem Erbgut verändert wurden, erhebliche Beeinträchtigungen in ihrer Vitalität. Diese Nachteile können unter Umständen durch langwierige weitere Züchtung behoben werden. Anders als die bisherige Zulassungsprüfung kann eine Technikfolgenabschätzung diese Nachteile gegenüber den behaupteten Vorteilen abwägen und dabei auch weitere wichtige Faktoren wie z.B. Patente, die Wahlfreiheit der VerbraucherInnen und den Schutz der traditionellen Lebensmittelproduktion berücksichtigen.
Insgesamt impliziert der Einsatz von NGTs eine Dimension der Eingriffstiefe in die natürlichen Lebensgrundlagen. Dies kann zu extremen Ausformungen biologischer Eigenschaften und zu unbeabsichtigten genetischen Veränderungen führen, die im Rahmen der konventionellen Züchtung oder natürlicher Prozesse nicht zu erwarten sind. Dabei gibt es eine wachsende Zahl von Anwendungen, die viele Arten und Eigenschaften umfassen. Viele davon sind nicht auf bereits domestizierte Pflanzen oder Tiere begrenzt, vielmehr ist auch eine große Bandbreite von wildlebenden Arten betroffen, die in komplexe Ökosysteme eingebettet sind, darunter Bäume, Insekten, Wirbeltiere und Mikroorganismen.
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Christoph Then, Tel 0151 54638040, info@testbiotech.org