EU-Zulassung von Gentechnik-Mais: Nicht zulässige Ausnutzung von Übergangsregeln durch Monsanto?

Behörden können ursprünglichen Zulassungsantrag von Monsanto ‚nicht mehr finden‘

20. April 2020 / Testbiotech verdächtigt den Konzern Monsanto (Bayer), eine Importzulassung für einen Gentechnik-Mais erhalten zu haben, ohne dass dieser in Übereinstimmung mit dem EU-Recht auf Risiken geprüft wurde. Der Grund: Offiziell hatte Monsanto die Antragsunterlagen eingereicht, kurz bevor höhere Standards für die Risikoprüfung in Kraft traten. Es bestehen aber erhebliche Zweifel daran, dass der Antrag tatsächlich wie behauptet rechtzeitig vorlag.

Im Dezember 2018 hatte die EU-Kommission die Zulassung für einen gentechnisch veränderten Mais (MON87427 x MON89034 x 1507 x MON88017 x 59122) nach einem Antrag von Monsanto erteilt. Dabei handelt es sich um einen mehrfach gentechnisch veränderten (‚stacked‘) Mais, in dem mehrere Genkonstrukte für Insekten- und Herbizidresistenz kombiniert sind.

Monsanto hatte im November 2013 einen Brief an die belgischen Behörden geschickt, in dem der Antrag angekündigt wurde. Von dort wurden die Unterlagen an die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA weitergeleitet. Doch es hat den Anschein, dass das Dossier erst im Februar 2014 fertig gestellt wurde. Das ist nach dem Stichtag, mit dem höhere Standards für die Risikoprüfung in Kraft traten (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 503/2013). Trotzdem prüfte die EFSA nach den alten, niedrigeren Standards und auf dieser Grundlage erteilte die EU-Kommission auch ihre Genehmigung.

Testbiotech hatte daher den Verdacht, dass Monsanto in diesem Fall von den Behörden in unzulässiger Weise begünstigt wurde. Nach eingehender Prüfung reichte Testbiotech im Juli 2019 eine Klage (T-534/19) beim Gericht der Europäischen Union (EuG) ein. Gleichzeitig beantragte Testbiotech sowohl bei den belgischen Behörden als auch bei der EFSA den Zugang zu den Originalunterlagen. Das überraschende Ergebnis: In Belgien kann man die Unterlagen angeblich nicht mehr finden. Zugleich bekam Testbiotech von der EFSA nur Einsicht in ein Dossier, das mit 2014 datiert ist.

Auf Grundlage dieser Auskünfte sieht Testbiotech den Verdacht erhärtet, dass vor dem Stichtag keine vollständigen Antragsunterlagen eingereicht wurden und dass der Zulassungsantrag von der EU-Kommission nicht hätte genehmigt werden dürfen. Da aber aufgrund der fehlenden Unterlagen nicht überprüfbar ist, was Monsanto tatsächlich im November 2013 eingereicht hatte, sah sich Testbiotech gezwungen, die Klage zurückzuziehen. Es bleibt der beunruhigende Eindruck, dass die EU-Behörden keine ausreichenden Voraussetzungen für ein faires und transparentes Gerichtsverfahren geschaffen haben.

„Dieses Verfahren hinterlässt ein sehr ungutes Gefühl. Unser Verdacht wurde von den EU-Behörden keineswegs ausgeräumt. Wir sind besorgt darüber, dass die Behörden ihrer Sorgfaltspflicht vor der Zulassung nicht ausreichend nachgekommen sind und dies auch nachträglich nicht getan haben“, fasst Christoph Then die Situation für Testbiotech zusammen. „Gleichzeitig sehen wir die Bereitschaft von Teilen der EU-Kommission, die Prüfverfahren für die Gentechnik-Pflanzen sogar noch zu beschleunigen, um der US-Regierung entgegen zu kommen. Es kann bei der Sicherheit von Mensch und Umwelt aber keinen Deal geben. Die EU-Kommission muss jetzt klarstellen, dass sie ohne Wenn und Aber zu den gesetzlichen Grundlagen des Vorsorgeprinzips steht.“

Der aktuell strittige Gentechnik-Mais wirft komplexe Fragen in Bezug auf gesundheitliche Risiken auf: Er ist mehrfach gentechnisch verändert und mit einer erhöhten Resistenz gegenüber Glyphosat ausgestattet. Zudem ist er gegen weitere Herbizide resistent und produziert mehrere Insektengifte. Die Kombinationswirkungen der Toxine und Rückstände der Herbizide wurden nie genauer untersucht. Die damit einhergehenden Risiken wurden jüngst auch im Rahmen des Forschungsprojektes RAGES verdeutlicht. Auch das EU-Parlament hat sich mehrfach gegen derartige Zulassungen ausgesprochen.

Christoph Then, Tel. 0151 54638040, info@testbiotech.de

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