Der EU-Ombudsmann (Europäischer Bürgerbeauftragte) stellt in einem Urteil vom 23. Mai fest, dass die EFSA (European Food Safety Authority) bisher keine angemessenen Maßnahmen gegen Interessenkonflikte ergriffen hat, die durch sogenannte revolving doors („Drehtür-Effekt“) entstehen können. Nach dem Urteil des Ombudsmanns hat die EFSA es in einem wichtigen Fall nicht geschafft, ihre bisherigen Fehler aufzuarbeiten und ausreichende Mechanismen zur Erfassung möglicher Interessenkonflikte vorzusehen. Dies geht aus dem abschließenden Urteil des EU-Ombudsmanns zum Fall Suzy Renckens hervor. Renckens leitete von 2003 bis 2008 die Abteilung für die Risikoprüfung gentechnisch veränderter Pflanzen bei der EFSA. Danach wechselte sie direkt zum Syngenta-Konzern, der derartige Pflanzen herstellt und vermarktet.
Martin Pigeon von Corporate Europe Observatory sagt: „Dieser hoch symbolische Fall zeigt erneut, wie strategisch wichtig die EFSA für die Agro-Industrie ist und wie schwach die Regeln für deren Unabhängigkeit sind. Die Art und Weise, wie die EFSA mit diesem Fall umgeht, zeigt, dass sie die Gefahr der Beeinflussung durch die Industrie nicht wirklich ernst nimmt. Dies ist ein nicht entschuldbarer Fehler für eine Behörde, die ‚der Lebensmittelsicherheit in Europa verpflichtet‘ ist. Weiß die EFSA überhaupt noch, was ihre eigentliche Aufgabe ist?“
Testbiotech machte den Fall Renckens 2009 öffentlich, aber sowohl die EFSA als auch die EU-Kommission weigerten sich, Maßnahmen zu ergreifen. Daher beschwerte sich Testbiotech, unterstützt von Corporate Europe Observatory (CEO) beim EU-Ombudsmann. Dieser gab 2011 seine erste Empfehlung ab und stellte dabei deutliche Versäumnisse bei der EFSA fest. Inzwischen hat die EFSA ihre Regeln gegen Interessenkonflikte zwar verschärft, dennoch sieht der Ombudsmann beträchtlichen Bedarf für weitere Maßnahmen. Auch das Europäische Parlament und der EU-Rechnungshof hatten in letzter Zeit klare Kritik an der EFSA geäußert.
„Die EFSA scheint unfähig zu sein, ihre Interessenkonflikte in den Griff zu bekommen. Das zeigt insbesondere der Umgang mit dem von der Industrie finanzierten International Life Sciences Institute (ILSI). Nachdem die Experten von ILSI mehr als zehn Jahre lang ungestört auch bei der EFSA tätig waren, sind diese seit Kurzem von der Mitarbeit weitgehend ausgeschlossen. Aber langjährige ILSI-Experten, die ihre Tätigkeit dort offiziell beendet haben, sind für die wissenschaftliche Arbeit der EFSA weiterhin entscheidend“, sagt Christoph Then von Testbiotech. „Und die Entscheidungen und Standards, die in den letzten zehn Jahren offensichtlich von ILSI beeinflusst wurden, hat die EFSA nie wirklich aufgearbeitet.“
Erst kürzlich wurde Juliane Kleiner zum Director of Science Strategy and Coordination der EFSA ernannt. Kleiner machte von 1997 bis 2004 Karriere bei ILSI und arbeitet seitdem bei EFSA. Gijs Kleter, der von 2002 bis 2007 in Expertengruppen von ILSI mitarbeitete, ist jetzt stellvertretender Vorsitzender der entsprechenden Expertengruppe der EFSA (genannt GMO-Panel). Harry Kuiper, der das GMO-Panel der EFSA von 2003 bis 2012 leitete, war gleichzeitig für mehrere Jahre Mitglied einer Arbeitsgruppe von ILSI. Die Standards der Risikoprüfung und die von ihm verantworteten Entscheidungen wurden von der EFSA nie systematisch untersucht. Sein Fall ist ebenfalls Gegenstand einer Beschwerde von Testbiotech beim EU-Ombudsmann, die allerdings noch nicht entschieden ist.
Interessenkonflikte bei Behörden sind auch ein Grund für eine Petition, die im Mai 2013 von einem breiten Bündnis von Organisationen beim Deutschen Bundestag eingereicht wurde. Das Ziel dieser Petition ist die Stärkung der unabhängigen Risikoforschung und die Bekämpfung von Interessenkonflikten bei den Behörden, die mit der Risikobewertung gentechnisch veränderter Organismen und Pestizide befasst sind.