EU-Kommission will Gentechnikrecht reformieren

Testbiotech verweist auf bereits bestehende gesetzliche Flexibilität

30. April 2021 / Die EU-Kommission hat einen Bericht zu Anwendungen der ‚Neuen Gentechnik‘ (Genome Editing) bei Pflanzen und Tieren vorgelegt. Dabei kommt sie zur Auffassung, dass die bestehende Gentechnikgesetzgebung reformiert werden sollte. Leitgedanken sind unter anderem die Förderung der Anwendungen von Neuer Gentechnik in der Landwirtschaft sowie internationaler Handel, Technologieförderung und Produktentwicklung. Die Kommission fordert, bei der Marktzulassung auch mögliche Vorteile der Gentechnik zu berücksichtigen, anstatt nur die Risiken zu prüfen. Dabei müsse aber die Sicherheit für Mensch und Umwelt gewährleistet bleiben. Zu offenen Fragen soll in den nächsten Monaten eine öffentliche Konsultation durchgeführt werden.

Testbiotech plant, sich an der Konsultation zu beteiligen und sieht ebenfalls Bedarf für Anpassungen. Ein Grund: Die Risikobewertung vieler Anwendungen der Neuen Gentechnik ist oft wesentlich komplexer als bei der bisherigen Gentechnik. Testbiotech weist aber auch darauf hin, dass die bestehende Gesetzgebung bereits ausreichende Flexibilität für Anpassungen bietet. Das betrifft nicht nur die Standards der Risikobewertung. So kann die EU-Kommission bereits jetzt bei ihren Entscheidungen über Marktzulassungen mögliche Vorteile berücksichtigen. Allerdings dürfen diese Aspekte nicht mit wissenschaftlichen Fragen der Risikobewertung vermischt werden, betont Testbiotech.

Zudem sind nach Ansicht von Testbiotech generelle Ausnahmen von der Zulassungsprüfung gesetzlich kaum zu regeln: Nach wissenschaftlichen Kriterien ist es nicht möglich, bestimmte Anwendungen der Neuen Gentechnik pauschal für sicher zu erklären. Wie hoch das Risiko bestimmter Organismen für Mensch und Umwelt tatsächlich ist, kann erst nach einer Prüfung entschieden werden – nicht aber vorab oder aufgrund der beabsichtigten Eigenschaften von Gentechnik-Organismen. Dies gilt auch dann, wenn keine zusätzlichen Gene eingefügt werden.

Testbiotech übt zudem methodische Kritik am Bericht der EU-Kommission: In diesem wird mehrfach auf eine Stellungnahme der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) verwiesen, in der behauptet wird, dass die Anwendung der Neuen Gentechnik an Pflanzen nicht mit speziellen Risiken einhergehe. Nicht erwähnt wird hingegen, dass aus einer weiteren aktuellen Stellungnahme der EFSA hervorgeht, dass diese Pflanzen auch dann sehr hohe Anforderungen an die Risikobewertung stellen, wenn keine zusätzlichen Gene eingefügt werden.

Auch fehlt bisher eine ausreichende Bewertung der unbeabsichtigten Effekte, die durch die Verfahren der Neuen Gentechnik, wie bspw. Anwendungen der Gen-Schere CRISPR/Cas, verursacht werden. Bei diesen Verfahren werden in vielen Fällen die alte und die neue Gentechnik miteinander kombiniert, was oft zu ungewollten Veränderungen im Erbgut führt. In den Dossiers, die jetzt zusammen mit dem Bericht der EU-Kommission veröffentlicht wurden, werden solche ungewollten Effekte und die damit einhergehenden Risiken nur unzureichend diskutiert.

Testbiotech kommt deswegen zu der Einschätzung, dass der Bericht der Kommission als zu einseitig oder zumindest als unvollständig zu bewerten ist und in der Folge zu einer erheblichen Schwächung des Vorsorgeprinzips führen kann.

Kontakt:
Christoph Then, info@testbiotech.de, Tel 0151 54638040

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