24. April 2018 / Eine neue wissenschaftliche Publikation erörtert die Risiken einer Ausbreitung der Gene von gentechnisch verändertem Mais in Spanien. Die Veröffentlichung beruht auf einer engen Kooperation zwischen ExpertInnen der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA und der Gentechnik-Industrie. Um diese Art der Zusammenarbeit anzuprangern, schlägt Testbiotech einen neuen Begriff vor: European Food Safety Industry (‚EFSI‘).
Der Hauptautor, Yann Devos, arbeitet für die EFSA; ein anderer Autor, Alan Raybould, für den Syngenta-Konzern, der das Gentechnik-Saatgut in Spanien verkaufen will. Weitere EFSA-ExpertInnen, wie die Leiterin der Gentechnik-Abteilung, Elisabeth Waigmann, waren am Artikel beteiligt. Monsanto, DuPont und Syngenta haben in der EU Anträge auf Anbau von Gentechnik-Mais gestellt. Der Gentechnik-Mais produziert Insektengifte (MON810, Bt11 und Mais 1507) und / oder ist resistent gegenüber den Herbiziden Glyphosat (GA21) und Glufosinat (Bt11 und Maize 1507).
Spanien ist in der EU das Hauptanbaugebiet für diesen Mais. Hier breitet sich seit einigen Jahren eine mit dem Mais verwandte Wildpflanzenart, die Teosinte, aus. Diese wird als die Ursprungspflanze des gezüchteten Mais angesehen. Wissenschaftler der ETH Zürich zeigten im Jahr 2017, dass es bei der in Spanien vorkommenden Teosinte-Unterart bereits in der Vergangenheit zu einem Genaustausch mit Maispflanzen gekommen ist. Es ist anzunehmen, dass auch der transgene Mais in der Lage ist, seine Gene an die Teosinte weiterzugeben. So wäre es möglich, dass neue „Superunkräuter“ entstehen, die gegen Herbizide resistent sind und Insektengifte produzieren. Die entsprechenden Gene könnten dann von der Teosinte auch wieder auf die Maisfelder übertragen werden.
Die ‚EFSI‘-Autoren stellen diese Risiken als gering dar: Dabei gehen sie davon aus, dass die zusätzlich eingefügten Gene in der Teosinte nur die ursprünglich beabsichtigten Eigenschaften aufweisen. Diese ExpertInnen sehen Gene als eine Art Bauklötzchen an, die beliebig ein- oder ausgebaut werden können, ohne dass die Funktion von anderen Genen oder der Umwelt beeinflusst wird. Das ist falsch. So ist beispielsweise bekannt, dass das zusätzliche Enzym, das in Gentechnik-Pflanzen produziert wird, um sie gegenüber Glyphosat resistent zu machen, diesen gleichzeitig eine höhere biologische Fitness verleihen kann. Wenn der Gensprung auf natürliche Populationen gelingt, könnten die daraus entstehenden Nachkommen ihre Gene noch schneller in der Umwelt ausbreiten als vorher. Dieser Effekt ist auf die zusätzlich eingefügten Gene zurückzuführen. Er tritt auch dann auf, wenn kein Glyphosat angewendet wird. Unter Stressbedingungen wie Trockenheit und Hitze kann sich der Effekt noch verstärken.
“Die ‚EFSI‘ ignoriert, dass gentechnisch veränderte Teosinte-Maishybride als neue, gentechnisch veränderte Pflanzen anzusehen sind, die nie auf ihre Risiken getestet wurden. Ihr Ausbreitung in der Umwelt kann deswegen grundsätzlich nicht zugelassen werden. Dabei ist es nicht entscheidend, ob diese Pflanzen innerhalb oder außerhalb der Felder wachsen“, sagt Christoph Then für Testbiotech.
Derzeit gibt es in der EU keine Leitlinien und keine Methoden, um die Risiken zu bewerten, die durch spontane Kreuzungen gentechnisch veränderter Pflanzen entstehen. Bisher bezieht sich die Risikoabschätzung meist auf Pflanzen, die nur für eine Anbauperiode auf den Feldern wachsen und jedes Jahr neu ausgesät werden müssen.
„Durch eine unkontrollierte Ausbreitung der Transgene können für Umwelt und Landwirte erhebliche Schäden entstehen“, erklärt Christoph Then von Testbiotech. „Bisher hat sich die EFSA nie ernsthaft mit dem Thema beschäftigt. Wenn die Behörde ihre Arbeit jetzt auch noch in Kooperation mit der Industrie durchführt, wer soll diese Risiken dann unabhängig bewerten?“
Testbiotech kritisiert ein grundsätzliches Problem mit der Unabhängigkeit der EFSA: Bis heute hat es die EFSA nicht geschafft, sich ausreichende Standards zu geben, um die Behörde gegen eine Einflussnahme von ExpertInnen zu schützen, die im Interesse der Industrie tätig sind.
Das Problem wird auch im aktuellen Fall deutlich: Die ‚EFSI‘-Publikation entstand ursprünglich 2017 auf einer Konferenz mit dem Titel “International Symposium on the Biosafety of Genetically Modified Organisms (ISBGMO)”. Diese Konferenz wurde von der “International Society for Biosafety Research” (ISBR) organisiert. Über die Finanzierung der ISBR gibt es kaum öffentliche Informationen. Es ist aber bekannt, dass Konferenzen der Organisation regelmäßig von Konzernen wie Monsanto, Bayer, Dow AgroSciences, DuPont und Syngenta sowie dem Dachverband CropLife International gesponsert werden. Zudem besteht das Management der ISBR weitgehend aus Mitarbeitern der Industrie. 2016 war Yann Devos, angestellter Experte der EFSA, als Programmdirektor für die ISBR tätig. Es gibt offensichtlich keine Beschränkungen, die eine Zusammenarbeit von Angestellten der EFSA mit ExpertInnen der Industrie wirksam beschränken.
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Christoph Then, Tel. 0151 54638040, info@testbiotech.org