Der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft bedarf einer umfassenden Technikfolgenabschätzung

Neuer Bericht von Testbiotech

22. März 2023 / Die versprochenen Vorteile und hohen Erwartungen, die der Einsatz von transgenen Pflanzen in der Landwirtschaft vor rund 30 Jahren geweckt hatte, wurden bisher nicht oder nur teilweise erfüllt. Doch gibt es bisher kaum systematische und unabhängige Untersuchungen, um die tatsächlichen Auswirkungen auf die Landwirtschaft objektiv zu bewerten.

In Bezug auf die Risiken wurden zwar von verschiedenen Behörden Risikobewertungen einzelner gentechnisch veränderter Pflanzen (‚Events‘) vorgenommen. Doch weder kombinatorische Wirkungen noch kumulative Effekte oder Wechselwirkungen der Gentechnik-Pflanzen untereinander wurden bisher eingehend geprüft. Damit werden systemische Effekte auf die Umwelt und die Sicherheit von Nahrungsmitteln nicht ausreichend erfasst. Vorliegende Publikationen zeigen aber, dass insbesondere Wechselwirkungen zwischen den gentechnisch veränderten Pflanzen, beziehungsweise deren Eigenschaften, dazu führen können, dass die Agro-Ökosysteme weiter destabilisiert werden, z.B. durch die beschleunigte Ausbreitung bestimmter ‚Schädlinge‘.

Zudem kommt es in mehreren Regionen bereits zu einer unkontrollierten Ausbreitung transgener Pflanzen u.a. in wilden Populationen. Davon betroffen sind auch Länder ohne Gentechnik-Anbau und in manchen Fällen auch Zentren der biologischen Vielfalt. Dabei kommt es bei den spontanen Kreuzungen mit transgenen Pflanzen auch zu ‚next generation effects‘, d.h. bei den Nachkommen transgener Pflanzen werden Eigenschaften beobachtet, die bei der ursprünglichen Risikobewertung unbekannt waren. Es gibt weitere problematische Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die zwar oft diskutiert werden, aber bisher auf der Ebene der Politik nicht gelöst wurden. Dazu gehören Patente auf gentechnisch verändertes Saatgut, die im Bereich der Pflanzenzüchtung zu einer starken Unternehmenskonzentration geführt haben. Dadurch konnte eine Handvoll global agierender Großkonzerne ihre dominante Marktposition ausbauen. Infolgedessen beeinflussen diese Konzerne in vielen Regionen der Welt die Anbaupraxis auf den Feldern. Dabei nehmen sie oft wenig Rücksicht auf die tatsächlichen Probleme in der Landwirtschaft, sondern lassen sich ehervon ihren Gewinnerwartungen leiten. Ein anderes bisher ungelöstes Problem, insbesondere in Ländern mit großflächigem Anbau transgener Pflanzen, ist die Koexistenz mit den gentechnikfreien, traditionellen oder ökologischen Produktionssystemen.

Um solche negativen Auswirkungen bei einer möglichen Einführung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) zu vermeiden, sollten die bisherigen Zulassungsverfahren durch eine umfassende Technikfolgenabschätzung (TA) ergänzt werden. Ziel der TA soll es sein, potenzielle Vor- und Nachteile von NGT-Anwendungen – einschließlich der ökologischen und sozio-ökonomischen Gesamtauswirkungen – in ihrer Gesamtheit zu untersuchen. So sollen überhöhte Erwartungen kritisch überprüft, potenziell negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme vorgebeugt und der Eingriff in den Naturhaushalt und die Umwelt möglichst in Grenzen gehalten werden.

Der Einsatz der Neuen Gentechnik wird oft damit begründet, dass angesichts des Klimawandels neue Lösungen benötigt werden, um die Welternährung zu sichern. Doch neue Lösungen können nicht als nachhaltig gelten, wenn ihr Einsatz dazu führen kann, dass die Ökosysteme durch massenhafte Freisetzungen nicht angepasster Organismen überlastet werden, Risiken unbemerkt in Lebensmitteln akkumulieren, Züchtung durch Patente behindert wird und die Interessen der VerbraucherInnen missachtet werden. Die Konzepte von Natur- und Umweltschutz basieren zu großen Teilen auf dem Prinzip der Vermeidung von Eingriffen. Diese müssen auch im Bereich der Gentechnik zur Anwendung kommen. Die Einführung der Technikfolgenabschätzung in die Gentechnikregulierung kann dazu beitragen, die Art und die Anzahl von möglichen Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen wirksam zu kontrollieren und zu begrenzen.

Dazu veröffentlicht Testbiotech heute einen Bericht und stellt diesen auf einer Veranstaltung in Brüssel vor.

Kontakt:
Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel 0151 54638040

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