Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag und Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, positioniert sich wie folgt:
„Sehr geehrter Herr Dr. Then
Der Gentechnik Grenzen setzen – dieses Anliegen verfolgen wir Grüne im Parlament seit unserem Einzug in den Bundestag. 2017 sind Deutschlands Äcker gentechnikfrei, genauso wie die allermeisten im restlichen Europa. Das war nicht immer so und ist ein großer Erfolg der gentechnikkritischen Öffentlichkeit wie auch unserer beharrlichen Politik. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen: Agro-Gentechnik widerspricht dem Ziel einer zukunftsfähigen, umweltgerechten Landwirtschaft.
Die Agrarkonzerne und ihre politischen Verbündeten vor allem in der CDU/CSU haben allerdings den europäischen Markt noch längst nicht aufgegeben. Was die jetzige Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Richtlinie für nationale Anbauverbote vorgeschlagen hat, ist völlig ungeeignet, bundesweite Anbauverbote durchzusetzen. Die unpraktikablen Regelungen im Entwurf des Ministeriums von Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt zeigen ganz im Gegenteil deutlich, wie sehr die CDU/CSU in ihrer übergroßen Mehrheit inzwischen auf Pro-Gentechnik-Linie ist, da helfen auch die Aussagen der wenigen übrig gebliebenen GVO-Kritiker in der Union nichts mehr.
Deutlich gezeigt haben das bspw. die Debatte im Bundestagsplenum über einen Entwurf zur Änderung des Gentechnikgesetzes Anfang Dezember 2016 (nachzulesen unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw48-de-gentechnik/48... ) und die Öffentliche Anhörung dazu im Agrarausschuss Mitte Januar 2017 (https://www.bundestag.de/blob/497588/484efe352fa1a3c2d4bbb0ef1480cb01/wo... ).
Auch wenn das Gentechnik-Comeback-Gesetz nun gescheitert ist: durch die neue Gentechnik rund um CRISPR und Co. hat das Thema erneut an Aktualität und Brisanz gewonnen.
Wir Grüne lehnen weiterhin jedwede Freisetzung vermehrungsfähiger gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt konsequent ab, um die biologische Vielfalt und unsere Ökosysteme zu schützen. Und das gilt genauso für mit neuer Gentechnik veränderte Pflanzen und Tiere: Auch die neue Gentechnik ist Gentechnik und muss entsprechend reguliert und gekennzeichnet werden. Das heißt:
• Keine nationalen Alleingänge bei der Genehmigung von neuer Gentechnik im Vorgriff zur europäischen Rechtsetzung Es ist gut, dass mit dem Scheitern des von der Großen Koalition vorgeschlagenen Gentechnikgesetzes zumindest vorerst auch die vorgesehene „Einzelfallentscheidung“ bezüglich mit neuer Gentechnik genomeditierter Organismen vom Tisch ist.
• Äquivalent zu herkömmlichen GVO: Kein Anbau und keine Freisetzung von mit neuer Gentechnik erzeugten Pflanzen oder Tieren und Regulierung der Organismen unter Gentechnik-Gesetz, so dass ein Zulassungsverfahren mit Risikoprüfung und Rückverfolgbarkeit abgesichert werden.
• Außerdem müssen solche genomeditierten Produkte/Lebensmittel, wenn sie denn auf den Markt kommen, transparent gekennzeichnet werden – um weiterhin Wahlfreiheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu garantieren. Dafür braucht es die Entwicklung und Etablierung neuer Wege der Rückverfolgbarkeit und des Monitorings.
Für Organismen, die durch wiederholte Eingriffe so weitgehend verändert wurden, dass sie mit ihrem natürlichen Vorbild kaum mehr vergleichbar sind, braucht es neue Ansätze in der Risikobewertung, bevor über ihre Zulassung oder gar Freisetzung verhandelt wird.
Der Schutz der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft und eine transparente Kennzeichnung haben für uns weiterhin höchste Priorität. Denn es geht besser ohne – das sehen auch die Verbraucherinnen und Verbraucher so.
• Deshalb setzen wir uns für eine Kennzeichnung von GVO-Futtermitteln an tierischen Produkten ein. Denn der Import von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln in die EU bedeutet Gentechnik-Anbau anderswo – mit allen Folgen für diese Länder. So haben zwei Jahrzehnte ausgereicht, um weite Teile Südamerikas in Monokulturen für herbizidtolerante Gen-Soja zu verwandeln, die massiv mit Glyphosat und anderen Giften behandelt werden. Das hat dort nicht nur die Biodiversität zerstört, sondern macht auch die Menschen krank. Auch über die gesundheitlichen Langzeitfolgen des Konsums der verschiedenen GVO für Mensch und Tier – häufig in Kombination mit einem Pestizidrückstandscocktail - ist noch viel zu wenig bekannt – und das betrifft uns in Europa und Deutschland dann ebenfalls.
• Deshalb setzen wir uns auch dafür ein, dass Deutschland in Brüssel „Nein“ sagt bei Entscheidungen über die Zulassung von GVO-Futtermittel- oder Lebensmittel-Importen. Auch das scheitert momentan allerdings regelmäßig an der Großen Koalition – mit der Folge, dass Deutschland sich dort nur enthält (trotz schönen Worten im CDU/CSU – SPD – Koalitionsvertrag von 2013) und dann die EU-Kommission am Ende weitere GVO für den europäischen Markt zulässt.
Aktuell treten wir vehement dafür ein, Manipulationsmöglichkeiten der Agrochemie-Konzerne bei der Pestizidzulassung endlich einen Riegel vorzuschieben – und gleichzeitig die unabhängige Risikoforschung besser zu unterstützen. Die vorgeschlagenen Änderungen ließen sich auf die vergleichbar geregelten GVO-Zulassungsverfahren übertragen.
Forschungsgelder sehen wir in der ökologischen Züchtung besser angelegt als bei Projekten zur Herstellung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen und Tiere, egal ob mit alter oder neuer Gentechnik. Die Patentierung solcher Organismen, also Patente auf Leben, auf Tiere, Pflanzen und konventionelle Züchtungsverfahren lehnen wir Grüne seit jeher ab.
Mit freundlichen Grüßen – und mit Dank für die wertvolle Arbeit, die unabhängige Institute und Vereine wie testbiotech für die Gentechnik-Freiheit leisten!
Harald Ebner
(Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag und Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft)
Testbiotech fragt nach:
Herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort, aus welcher Ihre grundsätzliche Positionierung in der Gentechnik-Debatte sehr klar wird! Was die Wählerinnen und Wähler, genau wie uns als Nicht-Regierungsorganisation, darüber hinaus sehr interessieren würde: Können Sie uns kurz und knapp die für Ihre Partei wichtigsten politischen Ziele zum Thema Gentechnik für die kommende Legislaturperiode mitteilen?