CRISPR

CRISPR/Cas: Neue Gentechnikverfahren greifen direkt ins Erbgut ein

 

Worum geht es?

Neue Gentechnikverfahren, auch Genom-Editing genannt, versprechen präzisere Veränderungen des Erbguts als bisherige Verfahren der Gentechnik. Während die bisherigen Verfahren z.B. mittels sogenannter „Schrotschussverfahren“ oft artfremde Gene ungezielt in das Erbgut eines Organismus einschleusen, sollen es die neuen Verfahren ermöglichen, Abschnitte auf der DNA (Gene) gezielter zu verändern.

Wichtigstes Werkzeug der neuen Verfahren sind sogenannte „Gen-Scheren“ (oder „Nukleasen“) und hier insbesondere CRISPR/Cas9. Mithilfe sogenannter „Guide-RNA“ werden diese in der Zelle zum Zielort im Erbgut geführt und wirken dort wie molekulare Scheren: Sie fügen einen Bruch in die DNA ein. An dieser Bruchstelle können dann sowohl natürliche Geninformationen verändert, entfernt oder auch neue Gene eingefügt werden. Um wirksam zu sein, muss die Nuklease die DNA nicht unbedingt durchtrennen. Es
ist auch möglich, dass biochemische Veränderungen an der Struktur vorgenommen werden, so dass die Gen-Aktivität (Epigenetik) oder die Reihenfolge einzelner Basenpaare (kleinste funktionelle Einheit der DNA) verändert wird. Man spricht dann von Base-Editing.

Im Ergebnis können mithilfe von CRISPR/Cas Gene entfernt und/ oder stillgelegt, zusätzliche Gene eingebaut und/ oder die Aktivität von natürlichen Genen (durch Eingriffe in die Epigenetik) verändert werden.

Die Nuklease kann mit unterschiedlichen Verfahren in die Zelle eingebracht werden. In der Regel muss in einem ersten Schritt zusätzliches Erbgut eingeschleust werden, das dazu dient, die „Gen-Schere“ CRISPR/Cas in den Zellen zu produzieren. Erst in einem zweiten Schritt kann die Gen-Schere dann aktiv werden, um eine bestimmte Zielregion im Erbgut zu verändern. In einem dritten Schritt versucht man dann durch weitere Züchtung, das Erbgut für die Nuklease wieder zu entfernen.

Man kann den Enzymkomplex CRIPSR/Cas auch vor-synthetisieren und dann als Ganzes ohne zusätzliche DNA in die Zellen einführen. Das ist aber oft weniger erfolgreich, unter anderem weil das Enzym dann von den Zellen rasch abgebaut wird.

 

Was ist problematisch?

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die neuen Gentechnikverfahren nicht so zuverlässig und präzise funktionieren, wie oft behauptet. Tatsächlich geht die Anwendung mit spezifischen Risiken einher:

  • Die Gen-Schere CRISPR/Cas arbeitet keineswegs fehlerfrei, sondern kann auch an ungewollten DNA-Bereichen schneiden, die der eigentlichen Zielsequenz ähneln. Diese Effekte werden als Off-target-Effekte bezeichnet.

  • Zudem wurde in vielen Fällen beobachtet, dass am Zielort ungewollt zusätzliche DNA eingebaut wird. Besonders häufig wird dabei die DNA eingefügt, die eigentlich für die Synthese der Nuklease notwendig war.

  • Auch wenn die Veränderungen der DNA erfolgreich und zielgenau sind, können die Wirkungen dieser Veränderungen auf der Ebene des Organismus ganz anders sein als beabsichtigt. Durch Wechselwirkungen mit anderen Genen kann sich beispielsweise die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe von Pflanzen verändern oder diese anfälliger für Krankheiten werden. Diese Auswirkungen sind zum Teil schwer zu entdecken, weil es hier nicht ausreicht, nur die Struktur der DNA zu untersuchen. Stattdessen müssen oft komplexe Stoffwechselvorgänge in der Zelle untersucht werden.

In jedem Fall unterscheiden sich die neuen Gentechnikverfahren in ihrer Eingriffstiefe deutlich von den bisher üblichen Verfahren der Züchtung: Die Verfahren zur konventionellen Züchtung setzen immer an der ganzen Zelle oder dem ganzen Organismus an und greifen nicht direkt in die DNA im Zellkern ein.

Kurz gesagt, greift die Gentechnik in den Zellkern ein und umgeht dabei die „Spielregeln“ von Genregulation und Vererbung. Die Mutationszüchtung kann die natürlichen biologischen Mechanismen beschleunigen, tut dies aber innerhalb der im Laufe der Evolution natürlich entwickelten Mechanismen.

Tatsächlich sind nicht nur die Verfahren, sondern auch die Wirkungen der Nukleasen von spontanen bzw. zufälligen Veränderungen des Erbgutes grundsätzlich verschieden, auch wenn keine zusätzliche DNA eingefügt wird:

  • Treten beispielsweise spontane Mutationen im Erbgut auf, können diese oft von den Zellen wieder repariert und dabei in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Das ist bei Verwendung von CRISPR/Cas ganz anders: Wird die durch CRISPR/Cas veränderte DNA durch die zelleigenen Reparaturmechanismen wieder in den ursprünglichen Status zurückversetzt, erkennt die Nuklease ihre Zielregion erneut und wird dort solange aktiv, bis die ursprüngliche Struktur der DNA zerstört ist.

  • Mit den neuen Gentechnikverfahren werden multiple Eingriffe in das Erbgut möglich, die mit herkömmlicher Mutationszüchtung nicht erreichbar sind. So ermöglicht es das CRISPR/Cas-Verfahren, viele Veränderungen gleichzeitig einzuführen, was zum Ausschalten ganzer Genfamilien führen kann. Diese Genfamilien sind evolutionär durch Verdopplungen bestimmter Gene entstanden Die Gene sind sich in ihrer Sequenz sehr ähnlich und können als Sicherheitskopien wichtiger Informationen wirken. Die Gen-Schere verändert alle Genabschnitte gleichzeitig, die entsprechende Zielsequenzen aufweisen.

  • Es gibt auch Unterschiede in der Veränderbarkeit bestimmter Bereiche der DNA. Zum Beispiel existieren im Erbgut besonders konservierte Bereiche, in denen natürlicherweise keine Zufallsmutationen stattfinden und die evolutionär wenig Veränderung unterliegen. Dies betrifft unter anderem Gene, die für das Überleben des Organismus oder die Stabilität der Art besonders wichtig sind. Mit CRISPR/Cas ist es möglich, auch besonders konservierte Bereiche zu verändern.

 

Weitere Informationen:

Gegenwärtig ist noch unklar, wie die neuen gentechnischen Verfahren (Genom-Editing) in der Europäischen Union gesetzlich eingestuft werden. Die Industrie will viele dieser Verfahren von der Gentechnik-Regulierung ausnehmen, um ihre patentierten Pflanzen und Tiere ungehindert und mit möglichst hohem Profit vermarkten zu können. Oft wird deshalb von „neuen Züchtungsmethoden“ oder „Mutagenese“ gesprochen. Werden die neuen Verfahren nicht als Gentechnik eingestuft, würden auch eingehende Zulassungs- und Risikoprüfungen neuer Organismen wegfallen. Begründet wird diese Forderung mit dem Argument, dass keine artfremde DNA in den jeweiligen Organismus eingebracht wird und sich gen-editierte Pflanzen deshalb nicht von „natürlichen“ oder auch konventionell gezüchteten Pflanzen unterscheiden würden.

Tatsächlich ist es bei gen-editierten Pflanzen deutlich schwieriger, den gentechnischen Eingriff nachzuweisen, als bei Pflanzen, die mit den bisherigen Verfahren gentechnisch verändert wurden. Der Grund dafür ist, dass die bisherigen Gentechnik-Verfahren oft artfremde Gene, also Gene von anderen Organismen, in den Ziel-Organismus einbringen, was relativ einfach nachweisbar ist. Auf diese Weise veränderte Organismen werden deshalb auch als transgene Pflanzen bezeichnet. Genom-editierte
Pflanzen können, müssen aber keine artfremden Gene enthalten – und eben deshalb ist es deutlich schwieriger, den gentechnischen Eingriff nachzuweisen. Umso wichtiger ist es deswegen, dass es Zulassungsverfahren gibt, bei denen auch geeignete Nachweisverfahren hinterlegt werden müssen.

Die Genom-Editing-Verfahren werden von Fachleuten oft mit dem Bearbeiten eines Texts mit einem Textbearbeitungsprogramm verglichen: Mit den neuen Gentechnik-Verfahren können Teile des natürlichen Genoms entfernt oder verändert werden – ähnlich wie Buchstaben oder Textabschnitte in einem Textbearbeitungsprogramm. Als Argument, dass es sich deshalb nicht um Gentechnik handle, eignet sich dies aber kaum. Um beim Vergleich mit der Textbearbeitung zu bleiben: Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, zu behaupten, dass die „Editierung“ folgender Aussage keinen Unterschied macht:

DIE DNA BESCHREIBT ORGANISMEN NICHT VOLLSTÄNDIG

in:

DIE DNA BESCHREIBT ORGANISMEN VOLLSTÄNDIG

Die Bedeutung des Satzes verändert sich radikal, obgleich keinerlei „fremde“ bzw. externe Wörter eingefügt wurden.

Sollten die neuen Gentechnikverfahren nicht unter das Gentechnikgesetz fallen, so würden auf diesem Wege entstandene Pflanzen und Tiere ohne Zulassungsverfahren auf den Markt kommen. In diesem Fall gäbe es keine Möglichkeit, die Risiken durch unabhängige Experten zu untersuchen, keine geeigneten Nachweisverfahren und auch keine Möglichkeit, unkontrollierte Ausbreitungen zu verhindern oder die Organismen wieder aus der Umwelt zu entfernen. Von den Folgen könnten alle folgenden Generationen betroffen sein.

 

 

Publication year: 
2018